Nach erholsamer Nacht wurde noch schnell eine Dusche genossen, bei der man seine ganzen akrobatischen Fähigkeiten unter Beweis stellen musste, da sich auf ca. 4 qm Dusche, Waschbecken und WC befanden. Handtücher waren ebenfalls nicht auszumachen und so musste u. a. das Bettlaken zum Trocknen herhalten.
Danach flink das "Hotel" verlassen und um 9 Uhr hieß es "on the road again". Ziel war die 460 km südlich von Nancy gelegene Industriestadt Saint Etienne, die einst eine bedeutende Rolle im Kohlebergbau spielte, was bis heute dem eher grauen Stadtbild zu entnehmen ist.
Grundsätzlich sicherlich keine Stadt, die man unbedingt besuchen muss, wäre da nicht der heimische Fußballclub, welcher ganz nebenbei französischer Rekordmeister ist, wobei die glanzvollen Tage etwas weiter in der Vergangenheit liegen und zumindest die letzte Meisterschaft im Jahre 1981 erlangt wurde. Immerhin spielt man derzeit noch im UEFA Cup, wo man sich recht wacker schlägt.
Wie Nancy wirkt auch hier die Stadt ziemlich leer (ok, es war ein verregneter grauer Sonntag Mittag 13 Uhr) und außer ein paar jogginghosentragenden Migranten niemand auf den Straßen zu sehen.
Das Stadion liegt inmitten eines Industriegebietes und als wir hier rund drei Stunden vor Anpfiff aufschlugen, war logischerweise noch nicht viel los, was sich aber nach und nach ändern sollte. Die Zeit bis zur Öffnung der Kassenhäuschen wurde sitzend, biertrinkend und Leute beobachtend im Auto direkt vorm Stadion verbracht, wobei zwischenzeitlich auch noch einem Rugby-Spiel auf dem nebenliegendem Gelände beigewohnt wurde. Ziemlich komische Sportart, wie ich finde. Also wieder zurück ins trockene und warme Auto.
Nachdem die Ticketorganisation problemlos klappte (es gab noch Tickets aller Kategorien zu kaufen) fand man sich auch wenig später im Inneren des doch recht schönen Stadions wieder.
Gespannt war ich vor allem darauf, heute endlich die heimische Fanszene live in Aktion zu sehen, welche für mich, neben den Jungs und Mädels aus Marseille, zum Besten gehört, was Frankreich zu bieten hat. Auf der Nordtribüne finden sich die Magic Fans, während gegenüber die Green Angels stehen. Beide Gruppen wissen mehrere hundert Ultras um sich, was sich dann kurz vor Spielbeginn auch bemerkbar machte.
Der Vorsänger brüllt ein paar Silben in die megageile Beschallungsanlage, woraufhin viele hundert Kehlen das angesungene Lied weiter tragen. Das Ganze in einer Lautstärke, die einen nur noch ehrfurchtsvoll erstarren lässt. Sehr geil!
Dazu gibt es zu Spielbeginn auf der Nord eine Choreo aus Papptafeln zu bestaunen, wobei ich auch nach mehreren Blicken aufs Foto nicht erkennen kann, was dargestellt werden sollte. Ratschläge und Hinweise werden gern angenommen.....
Im Gästeblock haben sich die "Ultras Bordeaux `87" mit schätzungsweise 400 Leuten eingefunden und zeigen zum Anpfiff eine Gruppenblockfahne nebst einiger Bengalos.
Support im Gästeblock während des gesamten Spiels sehr gut, wenngleich gegen den Orkan made by Magic Fans & Green Angels, der ununterbrochen von mehreren Vorsängern angetrieben wird, kein Ankommen ist. In jedem Fall hier alles auf sehr hohem Niveau und der Auftritt der Gäste hätte unter "normalem" Umständen sicherlich bleibenden Eindruck erreicht. Zur Beginn der zweiten Hälfte zeigen diese noch eine Aktion mit grünen, weißen und blauen Fahnen zum Ausdruck ihrer "Passion et Mentalite". Wie gesagt, sehr guter Auftritt beider Szenen.
Mir persönlich tat der heimische Anhang leid, als Bordeaux in der 90. Minute den 1:1 Ausgleichstreffer und Endstand erzielte. Man kann nur die Daumen drücken, dass ASSE sich von den derzeitigen Abstiegsplätzen bald verabschiedet, denn in Liga Zwei hat dieser Verein mit seinem fanatischen Anhang nichts zu suchen.
Nach dem Spiel völlig zufrieden mit dem Besuch geschwind zurück zum Auto .
1.100 Kilometer Heimweg am Stück fetzen definitiv.