WKS Zawisza Bydgoszcz – TS Wisla Krakow  3:1

19.10.2013

Stadion im. Zdzislawa Krzyszkowiaka

Ekstraklasa

Zuschauer: 5.500 (ca.1.000 Gäste)

 

Da hatte ich am Vorabend nach dem Heimspiel gegen Rehden (2:2) gegen halb 11 noch halbwegs rechtzeitig den Absprung aus der Stadionkneipe geschafft, während der Jan dort noch bis 1 Uhr soff und nur 4 Stunden später wieder vor meiner Tür stand, um erneut den nicht ganz kurzen Weg Richtung Polen auf uns zu nehmen. Respekt!

Da beim Vorabendspiel seit langer Zeit mal wieder ein Bengalo im Heimblock brannte, sahen diverse Weltverbesserer sich natürlich dazu berufen, ihren geistigen Durchfall im Netz kundzutun, was man allerdings kommentarlos und mit leichtem Schmunzeln hinnahm. Die Zeiten, in denen ich mich zu so etwas äußerte, sind längst vorbei; bringt eh mal gar nichts, außer sich im Kreis drehende Diskussionen. Pro Pyro!
Daher mal ab ins Land, wo die Leute noch andere Sorgen haben und nicht so viele Gutmenschen rumlaufen.
Nach 6 Stunden Fahrt durch die Nacht bzw. den aufkommenden Morgen war man schon auf Höhe Poznan, wo man dann die Autobahn verlassen musste und von nun an noch übelster polnischer Landstraßenterror wartete.
Für nur 140 Kilometer brauchste hier rund 2 Stunden, da sich quasi Ortschaft an Ortschaft reiht.
Aber ok. So sieht man halt was von Land und Leuten und Zeitpolster hatten wir eh genug.
Gegen 14 Uhr dann aber endlich mal Bydgoszcz erreicht (350.000 Einwohner, ausgesprochen wirds so in etwa "Büddgosch"; wer dabei zu viel Speichel verteilt, kann auch Bromberg sagen).
Ich muss sagen, ich war auf den bevorstehenden Kick sehr heiß, denn die Szene von Zawisza wollte ich schon lange mal live sehen. Kommt mir durch paar gelesene Bericht oder paar Videos recht sympathisch rüber und nach 19 Jahren spielt der Verein in dieser Saison erstmals wieder in der Ekstraklasa.

In Bydgoszcz selbst gibts noch ne zweite aktive Szene, nämlich schart der Speedway-Club Polonia Bydgoszcz ebenfalls eine Hool-/Ultraszene um sich, welche aber gegen die Fussballjungs von Zawisza kaum was zu melden hat, was allein schon die Verteilung der Anteile der Graffitis im Stadtbild deutlich macht.
Mit Wisla Krakow war dann zudem nicht der langweiligste Verein Polskas zu Gast, alle Voraussetzungen also erfüllt für einen interessanten Nachmittag.
Auf dem Weg vom Auto zum Stadioneingang lugten wir dann schon mal in Richtung Gästeeingang und sahen den Wisla-Mob (zum Großteil mit Zug angereist) umringt von zahlreichen weißen Punkten, was die Helme der Cops waren, aus der Entfernung. Auch vorm Heimbereich, welcher sich n bisschen untypisch auf der Haupttribüne findet, lungerte ein ordentlicher Pöbel rum.

Also mal direkt weiter auf die andere Seite, wo wir dann auch Platz nahmen im Stadion mit dem schier unaussprechbaren Namen und gute Sicht auf Heim- und Gästeanhang hatten. Der Gästebereich bereits gut gefüllt; ca. 1.000 Kibice dürften es hier gewesen sein, darunter auch ein paar Lads der Freunde von Lechia Gdansk.

Hier und da wurden schon vor Spielbeginn die typisch polnischen kurzen, brachialen Gesänge in Richtung Spielfeld gebrüllt. Ich hab es ja sicher schon mal irgendwo geschrieben, aber wiederhole mich da gerne. Der Pole singt respektive grölt tatsächlich lauter als sonst wo einer.
Wie viel holt ihr denn bei eurem Verein aus der potentiellen Stimmkraft so heraus? 70 %? Vielleicht 80%?

Aber immer so, dass man meint, man könnte noch lauter, wenn es wirklich müsste, oder? Der Pole holt tatsächlich diese 20-30% noch raus, beugt sich mit dem Oberkörper weit zurück, um dann beim nach vorne Beugen mit voller Kraft alles herauszuholen. Naja, schwer zu beschreiben, muss man sich mal angucken. Ich finds jedenfalls geil.
Bisschen Schiss hatte ich allerdings, dass die Heimszene streiken und dies irgendwie vorab an mir vorbei gegangen sein könnte. Ne halbe Stunde vor Spielbeginn war der Heimbereich zwar gut gefüllt, allerdings saß hier jeder nur halbwegs teilnahmslos rum und es hing auch noch keine einzige Zaunfahne.
Wenig später dann aber die Erleichterung, denn ein paar schöne Exemplare polnischer Zaunfahnenkultur wurden geflaggt und als dann pünktlich zu Spielbeginn ein brachiales " ZAWISZA BYDGOCZSZ" aus rund 2.500 Kehlen durchs Rund knallte, waren die 9 Stunden Anreise vergessen. Was folgte war dann lauter und durchgängiger Support des Heimblocks, gepaart mit einer recht guten optischen Aktion. Mittels blauer und schwarzer Fähnchen wurde ein passender Hintergrund gestaltet, um dann mittels weißer den Schriftzug Zawisza zu symbolisieren. Zwar nicht sofort auf den ersten Blick erkennbar, aber auch keine einfach umzusetzende Aktion. Zudem zündete irgendein Freak in den Stadionkatakomben hinter dem Heimblock in regelmäßigen Abständen recht laute Böller. Störte aber irgendwie niemanden.
Auf Wisla-Seite gabs nix Optisches und auch akustisch ließ man im Laufe der Partie mehr und mehr nach, sodass letztendlich nur noch von einem durchschnittlichen Auftritt gesprochen werden kann, der aus einem 0:1 Rückstand gedrehte 3:1 Heimsieg trägt aber sicherlich auch nicht zu höchsten Gefühlsausbrüchen bei.
Kleine Anekdote noch am Rande. Ziemlich früh fielen mir im Innenraum zwei recht sportliche Typen mit Fotoleibchen und Kapuze aufm Kopf auf, die jedoch keine Kamera bei sich trugen, dafür aber konstant die Gäste provozierten. Irgendwann reagierten diese mit Böllern in den Innenraum, sodass die Polizei die vermeintlichen Pressevertreter aus dem Stadion schmiss. Polen live!
Nach dem Spiel ging's recht angetan schnellen Schrittes zurück zum Auto und ab zu.....