USD  Cavese 1919 – ASD Sicula Leonzio 0:2

26.02.2017

Stadio Simonetta Lamberti

Serie D Girone I

Zuschauer: 3.000 (ca. 80 Gäste)

 

 

Am nächsten Morgen konnte endlich mal wieder halbwegs ausgepennt werden. Ursprünglich war mal locker der Plan ins Auge gefasst, das Antike Pompeji zu besuchen. Irgendwie fiel uns dann aber auf, dass diese Stätte nun nicht gerade klein ist, unser Zeitpolster aber bei weitem nicht ausreichte, um annähernd einen Überblick zu erlangen.

Also dieses Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben und nach Einnahme des Frühstücks noch kurz einen Bummel durch den Hafenbereich Castellamare di Stabbias. Fazit: ganz nett, wenn auch nichts Besonderes, wenngleich sich eine schöne Sicht auf den Vesuv feststellen lässt.

Dann jedoch zeitig los die gute halbe Stunde in das kleine Städtchen Cava de Tirreni, wo ein kleiner Traum von mir in Erfüllung gehen sollte. Wenn ich selbst in diesem Bereich noch nicht wirklich groß rumgekommen bin, so hab ich doch ein schwer zu begründendes Faible für kleine süditalienischen Szenen. Wirken auf mich irgendwie total sympathisch anarchisch, ursprünglich und authentisch.

Die Curva Sud von Cavese 1919 gehört sicherlich dazu und das „Dale Cavese“ gehört vermutlich neben n paar Dingern von San Lorenzo zu den am häufigsten geklickten Tifovideos auf YouTube und Konsorten.

Heute herrschte jedoch einfach nur große Vorfreude, hier mal live dabei zu sein. Und auch das Wetter unterstütze diese Vorfreude nochmal extra, denn es stand im krassen Gegensatz zum Weltuntergangsgeschehen am gestrigen Tag. Strahlendblauer Himmel und Temperaturen von knapp über 15 Grad ließen auch unsere griesgrämigen norddeutschen Gemüter etwas aufhellen und uns schneidig das Ortseingangsschild der Kleinstadt Cava di Tirreni (50.000 Einwohner) passieren.

Paar Abbiegungen weiter tauchte dann linker Hand auch schon das Stadio Simonetta Lamberti auf, welches seinen Namen zu Ehren der damals 11-jährigen Simonetta trägt, die im Jahre 1982 in dieser Stadt einer Attacke der Camorra zum Opfer fiel, wobei dieser Mafiamord eigentlich ihrem Vater gelten sollte. Traurige Geschichte!

An der Ecke der Parallelstraße zum Stadion lungern schon zwei Handvoll Heimultras, stilecht mit Sonnenbrillen, dunkelblauen Curva-Sud-Windbreakern und zum Teil auf Motorrollern sitzend herum und sondieren die Lage, nehmen von uns aber (noch) keine Notiz, während wir in der Querstraße gegenüber vom Haupteingang parken und nachdem wir unsere hinterlegten Karten in Empfang genommen haben, mal die paar Meter zu nem Supermarkt schlendern, um ein bisschen Proviant aufzustocken.

Auf dem Rückweg mussten wir dann wieder an besagter Straßenecke vorbei und hatten ruckzuck zwei Ultras von der anderen Straßenseite im Nacken? Was wir für Vögel sind und was wir hier wollen!?

Ups! Das war so nicht geplant. Naja, aus Deutschland, Fußball gucken und so. Welcher Club der unsrige sei, fragten Sie uns. „SV Meppen, 4th German Division.“ Kennen die Jungs leider nicht (warum nicht????).

Nachdem also klar war, dass wir keine Auswärtsanhänger oder ähnliches sind, entspannte sich alles recht fix, allerdings nicht ohne uns den Hinweis zu geben, doch bitte auf der Tribüne Platz zu nehmen, statt in der Heimkurve rumzuturnen. Versteht sich von selbst, Cheffe!! Also, ciao ragazzi, gutes Spiel und so…

Eine Freundschaft Cavese Meppen bleibt also auch vorerst reine Utopie. Aber egal, sollen sich andere deutsche Ultragruppe ruhig weiter hier in Italien peinlich anbiedern, nur um dann im Blickfang Ultra Jahresrückblick schreiben zu können "Freundschaften existieren zu  Unirea Urziceni und Delfino Pescara!“ Na, herzlichen Glückwunsch!

Meppen, Flensburg und sonst nichts!!

 

Auf der Tribüne dann Platz genommen und mal tief Luft geholt. Vergessen all der langweilige Alltag daheim, denn der Anblick dieses geilen Stadionpanoramas ist wie zwei Wochen Urlaub (naja, fast). Das Stadion füllt sich heute mit 3.000 Leuten, was aufgrund des Spitzenspiels 3. gegen 1. Saisonrekord bedeutet. Hört sich nicht viel an, aber wenn rund die Hälfte aller Zuschauer den Ultragedanken in sich trägt oder zumindest seinem Verein stark emotional verbunden ist, bekommt das eine ganz andere Dimension.

Auf der Haupttribüne werden dunkelblaue Fähnchen verteilt und eine ca. 50-jährige Milf wird nicht müde, jedem Besucher zu erklären, diese nicht einfach einzurollen und später im Wohnzimmer aufzuhängen, sondern passgenau zum Einlauf der Mannschaften zu schwenken.

Klappt dann auch und sieht vermutlich von gegenüber auch ganz nett aus, wenngleich die Ultras in der Südkurve sich an einer etwas aufwendigeren Aktion üben, die allerdings perfekt ausgeführt wird. Mit blauen und weißen Papptafeln wird ein „Diffidati“ auf die Ränge gezaubert und sich somit mit allen Stadionverbotlern solidarisiert.

Anschließend gibt es süditalienischen Ultra vom Feinsten. Egal ob 15-jähriger Teenager oder 60-jährige Kurvenveteran. Alles singt und hüpft sich voller Leidenschaft in einen Rausch und rechtfertigt mit einem Wimpernschlag all das Geld, die Strapazen und die Zeit, die man für dieses Hobby auf sich nimmt. Geil!! 

Da kann das "Da padre - in figlio - Ultras!"- Banner (vom Vater zum Sohn -Ultras) in der Kurve noch als mehr als eine hohle Phrase gesehen werden. 

In Hälfte zwei gab es dann erneut etwas fürs Auge. Ich war noch grad dabei mir anhand meiner sehr rudimentären Italienischkenntnisse sowie den Resten aus 5 Jahren Lateinunterricht damals in der Schule einen Reim darauf zu machen, was „Insieme a te coloriamo i nostri sogni“ denn heißen könne, da erstrahlte die Curva Sud auch schon in vielen bunten Rauchwolken, was ein Top-Bild abgab. Im weiteren folgten noch einige Spruchbänder mit Bezug auf verschiedene Themen, so wurde sich zum Beispiel gegen diesen unerträglichen Trend ausgesprochen, Amateurspiele per Livestream ins heimische Wohnzimmer zu übertragen. Die „Acid Boys“, welche sich von der Südkurve abgespalten haben, nun mittig der Geraden stehen, jedoch sehr trostlos - weil wenige Mitglieder - rüberkommen, zeigen noch irgendwas gegen Stadionverbote, fallen aber ansonsten kaum auf.

Leider führten alle Bemühungen des Anhangs heute nicht zum Punkterfolg, da trotz deutlich höherem Ballbesitz der Hausherren, der Tabellenführer aus Sizilien, welcher ebenfalls von einem gut aufgelegten Anhang begleitet wurde, cleverer agierte und eiskalt seine wenigen Möglichkeiten nutzte.

Schade, hätten dem sympathischen Heimteam durchaus den Sieg gegönnt. Aber auch so ging es gut gelaunt nach Abpfiff in knapp drei Stunden zurück in Richtung Airport Rom, wo in einem Hotel das Erlebte nochmals bei Pizza und Bier ausgewertet wurde, ehe am nächsten Tag der Rückflug anstand.