BSG Chemie Leipzig – Berliner FC Dynamo 1:0
15.04.2018
Alfred-Kunze-Sportpark
Regionalliga Nordost
Zuschauer: 4.260 (ca. 600 Gäste)
Es ist Sonntag, der 15. April 2018, etwa 9 Uhr und ich sitze
entspannt im Außenbereich eines Straßencafes im interessanten, weil leicht
alternativen, Leipziger Stadtteil Plagwitz und lasse mir ein leckeres Frühstück
kredenzen, während das Bewusstsein in mir reift „Ja, heute wird ein geiler
Tag!“
Nicht nur, weil das Wetter mit 25 Grad und Sonnenschein ganz
meinem Geschmack entspricht und es sich bereits so relativ früh am Tag gut draußen
aushalten lässt, während die Stadt erst so langsam aus ihrem verkaterten Schlaf
erwacht, sondern ganz besonderes deswegen, dass heute – nach mehreren
gescheiterten Anläufen – endlich der Alfred-Kunze- Sportpark in
Leipzig-Leutzsch besucht werden kann.
BSG Chemie Leipzig gegen den Berliner Fußballclub Dynamo.
Mehr Ostalgie geht ja wohl kaum und weil ich es irgendwann nicht mehr aushalten
konnte, wuselte ich schon recht früh durch die Straßen rund ums Stadion. Hatte
ich mir den Stadtteil hier irgendwie recht verranzt und leicht versifft
vorgestellt (warum eigentlich?), so war ich doch überrascht, dass hier
insgesamt alles doch eher gut bürgerlich wirkt, denn gepflegte
Einfamilienhäuser, akkurate Vorgärten und Schrebergärten bestimmen die
Szenerie.
So gar nicht ins Bild passt da der stattliche Staatsapparat,
der heute für des besorgten Bürgers Sicherheit garantieren soll und der sich
unweit am Leutzscher Bahnhof sammelnde 600er Mob aus Berlin, der in Gedenken an
den bei Ausschreitungen 1990 durch einen Polizisten erschossenen damals 18-jährigen
BFCler Mike Polley in stillem Gedenken einen
Kranz ablegt und dabei einige Redner aus der BFC-Szene zu Wort kommen bzw. das
Geschehene Revue passieren lassen.
Noch immer ist der Tod des jungen Mannes ein Thema mit
reichlich Zündstoff, insbesondere deshalb, da diese Tat nie vollständig
aufgeklärt wurde.
So bestimmt auch das Gedenken zumindest auf BFC-Seite den
heutigen Spieltag, denn das quer entlang des Auswärtsbereiches reichende
Gedenkbanner fällt sofort ins Auge und mit diversen Gesängen gegen die Polizei
auf beiden Seiten, wird schnell klar, wer das gemeinsame Feindbild ist.
Aber spulen wird kurz zurück.
Was ist das AKS denn bitteschön für eine unglaublich geile
Hütte? Jede Seite ist unterschiedlich gebaut, besondere Blickfänge bilden dabei
einerseits die Haupttribüne, die aufgrund von Verlegung neuer Holzbänke derzeit
nicht betretbar ist sowie der davor gelagerte Sitzplatzbereich. Ebenso die
Heim-Hintertorseite ist mit ihrem Unter- und Oberrang ganz fantastisch und
bietet eine 1A Sicht aufs enge Spielfeld. Da kommste ja ausm Fotos machen kaum
raus. Aber ebenso ist genau dabei Vorsicht geboten, denn die Ultraszene der
grünweißen BSG ist durchaus dafür bekannt, Stadiontouristen, die sich allzu
auffällig geben, nicht mit offenen Armen zu empfangen.
So erwischte es dann auch passenderweise den Burschen, der
keine drei Meter von mir weg stand, indem er zunächst von zwei Heimultras
angequatscht wurde (Wer? Woher? Warum hier? usw.) ehe er freundlich, aber
bestimmt gebeten wurde, sich doch irgendwo auf die Geraden zu begeben…
Lief also im Grunde ganz entspannt, ja nicht mal der allseits
beliebte Hopperentgelt musste gelöhnt werden und von Ordnungsschellen war man
ganz weit entfernt. Naja, ich verzog mich dann wenig später auch mal diskret
woanders hin….
Auf der anderen Seite frage ich mich, was mit der jungen
Hoppergeneration (insbesondere die Kinder der 90er) manchmal so los ist. Laufen
da in typischen Szeneklamotten durchs Stadion, machen allzu auffällig von allem
und jedem Bilder und wundern sich dann noch, wenn man dies nicht gerade toll
findet.
Dann doch lieber so wie ich den dicken Knipser gleich im Auto
lassen und mit dem Handy locker aus der Hüfte knipsen. Gibt dann zwar scheiß
Bilder, dafür aber auch n ruhigen Nachmittag, haha.
Ansonsten war neben dem geilen Wetter und dem geilen Stadion
auch sonst alles geboten, was einen Fußballnachmittag so unvergesslich macht.
Beide Seiten verliehen durch optische Akzente zu Spielbeginn
dem ganzen einen würdigen Rahmen, denn während auf Gästeseite einfach mal
schwarzer Rauch in die Luft geblasen wurde und den Ronny im benachbarten
Schrebergarten sicherlich kurz fürchten ließ, sein Grill inklusive Gartenhütte
hätte Feuer gefangen, betätigte man sich auf Heimseite etwas kreativer und
zeigte vorne am Zaun den Satz „Gegen alle Gewalten – Klasse halten!“ inklusive
einer gemalten Blockfahne, deren Motiv aber ehrlich gesagt mehr als schlecht zu
erkennen war. Dafür gab es in den kommenden 90 Minuten einen sehr starken
Support in Form eines feinen Liedgutes der Diablos, welche heute reichlich
Besuch aus Frankfurt hatten, auf die Ohren. Daumen hoch!!
Klasse halten ist aber in jedem Fall die Mission der BSG, die
allerhöchste Priorität genießt und man benötigt dringend Punkte, will man nicht
in der kommenden Spielzeit Oberliga spielen. Wäre wirklich zu schade für solch
einen sympathischen, weil vollkommen authentischen und überaus fannahen Verein,
bei dem ich – würde ich in Leipzig leben – wohl Stammgast wäre.
Dass es heute – trotz eines übers Tor gejagten Foulelfmeters
zu drei Punkten reichen sollte, war letztlich absolut verdient, wenngleich vor
der Partie aufgrund der Tabellenkonstellation davon nicht unbedingt ausgegangen
werden konnte. Der BFC grüßt tabellarisch von oben, genauer gesagt von Platz 2,
hat aber keine Chance mehr Energie Cottbus einzuholen, sodass die Truppe heute
auch mit einigen Ergänzungsspielern gespickt war, sodass es dann letztlich zum
knappen aber wie gesagt verdienten Sieg der Leutzscher reichen sollte.
Vollkommen euphorisiert von diesem überaus geilen Oldschool-Nachmitttag, an dem einfach alles gepasst hat, machte ich mich nach Abpfiff flink zurück zum Auto und direkt auf den Heimweg nach Meppen, was ich nach sportlichen 4 Stunden Fahrt auch wohlbehalten erreichte.