Gandzasar Kapan FC – FC Noah 1:1

03.08.2019

Yerevan Football Academy Stadium

Premier League

Zuschauer: ca. 200

 

 
 

Der Freitag war fußballfrei und bot daher Zeit, Baku mal etwas unter die Lupe zu nehmen.
Was guckt man sich denn als Touri so an?
Zum Beispiel die recht schick ausgebaute Uferpromenade, die entlang des Kaspischen Meeres führt. Ist ganz nett, aber irgendwie auch schnell langweilig, zumal man hier mit ein paar netten Cafés etc. mehr Flair schaffen könnte. So wirkte das alles recht uncharmant und auch die Öllachen im Wasser plus jeder Menge Müll im diesem trübten den Gesamteindruck doch sehr.
Weiterer Stopp: Altstadt. Immerhin UNESCO Weltkulturerbe. Natürlich sind enge Gässchen zwischen historischen Gemäuern immer ganz nett, aber für jemanden, der jetzt nicht der Megahistoriker ist, bleibt eben nur das Prädikat „ganz nett“ und schon zig Mal so ähnlich oder besser gesehen.
Insgesamt fällt ein Mix aus Tradition und Moderne insbesondere in architektonischer Sicht auf. Letzteres ganz klar symbolisiert durch die 2013 fertiggestellten drei „Flame Towers“, die sicherlich Bakus Aufbruch in die Moderne symbolisieren sollen und sicherlich wird die Stadt in den nächsten 5-10 Jahren ihr Gesicht weiter stark verändern, so viel wie hier an allen Ecken gebaut wird.
Was in jedem Fall positiv in Erinnerung bleibt, sind die stets freundlichen, neugierigen und hilfsbereiten Einwohner.

Baku ist nun einmal (noch) kein typisches Reiseziel westeuropäischer Touristen und so wird man das eine oder andere Mal mit der Frage konfrontiert, woher man komme oder wie es einem hier gefalle. Das Ganze aber immer mit der gewissen Portion Zurückhaltung und Höflichkeit.
Der kurze Eindruck der aserbeidschanischen Hauptstadt fällt also gemischt aus und am Abend hieß es bereits wieder Abschied zu nehmen, denn die nationale Airline Butah Airways fliegt uns für knapp 60 Euro in die georgische Hauptstadt Tiflis. Trotz der Flugdauer von lediglich knapp 60 Minuten werden Wasser und ein Sandwich gereicht, ehe man pünktlich um 19:20h erstmalig georgischen Boden betritt.
Am „Airport Tbilisi“ wird man nach der Passkontrolle draußen natürlich gleich von der Taximeute umlagert. Schlau wie wir sind, hatten wir uns natürlich informiert, welcher Preis für eine Fahrt ins ca. 15 km Zentrum realpreisig sein würde.
Etwa 25 - 35 Lari (1 Lari = 0,30 Euro) schien angemessen und so war ich doch leicht verdutzt als der erste Taxista die scheinbare Standardrate von 100 Lari schwarz auf weiß in irgendeiner vermutlich selbsterstellten Fibel aufrief. Nach einem deutlichen „Far too much“ sank der Preus zwar sofort auf 50 Lari, erschien aber halt immer noch arg überteuert.
Nee, lass mal, gerade wenn man ebenso den 317er Linienbus nehmen kann, der 24/7 halbstündlich zwischen Airport und Stadtzentrum verkehrt und mit 0,50 Lari gerade mal ein Hundertstel des zuletzt aufgerufenen Taxipreises kostet. Hierzu kauft man sich am besten wieder so eine Plastikkarte, lädt etwas Guthaben drauf und fährt damit bequem und umgerechnet zu läppischen Centpreisen Bus, Minibus und Metro. Idealerweise hält der Bus quasi direkt an unserer für zwei Nächte gebuchten Unterkunft, wobei auch direkt mal eine Empfehlung für das Hotel Central in Wurfweite zur Shota Rustaveli Avenue, einer der Haupt-Ausgehstraßen, ausgesprochen werden kann.
Direkt nach Ankunft merkt man, dass Tiflis doch etwas anders tickt als Baku. Hier handelt es sich wirklich um eine junge, lebendige und pulsierende Großstadt, die auch in Punkto Nachtleben extrem stark sein soll. So las ich es zumindest. Wir sind mittlerweile zu alt für ausschweifende Clubnächte und so blieb es bei ein paar halben und leckerem Essen, ehe es in die Falle ging.
„Wann kommt denn endlich was zu Fußball und warum gleicht das hier mehr einem Reiseblog als sonstwas“ mag sich der geneigte Fussballasi nun fragen. Und das völlig zurecht, aber Fußball gab es erst am Folgetag und das nicht mal in Georgien, sondern im benachbarten Armenien, genauer gesagt in der Hauptstadt Jerevan.
Wie kommt man dort hin? In unseren Fall mit der Marschutka, also einer Art Minibus, die zum Beispiel recht regelmäßig von der Metrostation Avlabari abfahren.

Zwei Plätze hatten wir uns vorab via Internet reserviert, dabei mit jeweils 22 Euro vermutlich 7-8 Euro mehr bezahlt als wir es direkt vor Ort getan hätten, aber da wir die Nachfrage nicht absehen konnten und wir gerne gegen 9 Uhr an diesem Samstagvormittag los wollten, erschien uns dies als sichere Variante. Letztlich standen dort aber noch 3-4 weitere Fahrzeuge mit Ziel Yerevan und warteten auf Kundschaft. Überrascht waren wir, dass der junge wortkarge Fahrer nur mit uns zwei deutschen Heinzen an Bord startete und auch die gesamte Fahrtdauer (immerhin 6 Stunden für 250 km) stieg die Passagierzahl nicht weiter an, dabei hatte ich mir schon ausgemalt, wie wir inmitten leicht bekleideter sexy amerikanischer Studentinnen im Bulli säßen.

So ein leeres Fahrzeug. Aber Pustekuchen…

Kann sich wirtschaftlich kaum rentieren, aber ist dann auch nicht unsere Sorge. Kaum haben wir die Hauptstadt verlassen, wird die Landschaft schlagartig rau, karg und teilweise von Industrieruinen und abgemagerten Kühen gezeichnet.

Man merkt, dass Georgien natürlich auch zu den ärmeren Ländern gehört, trotzdem sind die Straßenverhältnisse passabel und die 1,5 Stunden bis zur armenischen Grenze gehen ok. Zur Ein- bzw. Ausreise gehts einmal raus aus dem Gefährt. Im ersten Häuschen gibts ohne, dass der Zöllner einen auch nur anguckt, den Ausreisestempel, einige hundert Meter verläuft die Einreise nach Armenien ebenfalls problemlos, trotz des aserbeidschanischen Stempels im Pass.
Beide Länder
befinden sich offiziell immer noch im Kriegszustand. Grund ist der Konflikt um Nagorny Karabagh, besser bekannt als Berg-Karabach. Es besteht allerdings seit 1994 ein Waffenstillstandsabkommen, das bis auf kleinere Scharmützel an der Waffenstillstandslinie auch eingehalten wird. Der Konflikt um diese Region besteht schon seit hunderten von Jahren. Berg-Karabach traditionell  mehrheitlich von Armeniern bewohnt, allerdings beanspruchen sowohl Armenien als auch Aserbeidschan  das Gebiet für sich. Das Zentralkomitee der Sowjetunion sprach 'Berg-Karabach' zu Beginn der 20er Jahre der Aserbaidschanischen Republik zu. In den 60er-Jahren loderte der Streit dann neu auf bis es Ende der 80er zur Eskalation kam, die zunächst zu Massenprotesten und letztlich zu bewaffneten Kämpfen führte. In folgenden Jahren kam es zu Massakern auf beiden Seiten, durch die in verschiedenen Städten die jeweils schwächere ethnische Gruppe nahezu ausgelöscht wurde. Am 12.Mai 1994 wurde dann endlich ein Waffenstillstand vereinbart. Seit diesem Zeitpunkt ist Berg-Karabach faktisch unter armenischer Kontrolle, auch wenn die Region sich offiziell als 'Republik Bergkarabach' unabhängig erklärt hat, die aber international nicht anerkannt wird.

 

Nun, wir wirken nun auch nicht wie die typische Bergguerillakämpfer und zudem könnte ich Jan davon überzeugen, hier am Grenzposten nicht mit einem „I love Azerbaijan-Shirt“ aufzumarschieren.

Dass es um das BIP Armeniens noch ein ganzes Stück schlimmer bestellt ist als um das in Georgien merkt man sofort an den sich ändernden Straßenverhältnissen.

Eine Autobahn oder dergleichen findet man hier so zahlreich wie Drittligafußball in Oldenburg.
Stattdessen juckelt man über schotterpistenartige Wege die Gebirgsstraßen hoch und runter und wird dabei von der teilweise atemberaubenden Landschaft des Kaukasus verwöhnt.
Doch, war gut und die sechs Stunden kamen uns kaum vor wie solche. Gegen 15 Uhr quasi planmäßig nahe des Zentrums abgesetzt, hieß es erstmal orientieren und wenig später saßen wir bei kaltem Bier und leckeren Speisen im Zentrum.

Hatten wir uns verdient.
Hier im Zentrum kommt die armenische Hauptstadt recht modern daher, es gibt eine neue unterirdische Shopping-Mall, nette Bars und Restaurants und prinzipiell gleicht hier optisch alles jeder x-beliebigen  westeuropäischen Großstadt. Ok, der sowjetische Einfluss ist in der Architektur teilweise schon zu erkennen, aber trotzdem…

Außerhalb des Zentrums sieht das dann oftmals anders aus. Plattenbauten, marode Bausubstanz, gammlige Autowerkstätten und Industrie.
Und genau dahin zieht es uns - also zumindest ein paar Kilometer außerhalb des Zentrums und der Uber-Fahrer kutschiert uns hier für kleines Geld hin. 1,30 Euro für ca. 8 Kilometer, dafür lässt in Deutschland nicht mal jemand den Motor an...
Jetzt aber endlich Fußball. Der Spielplangott meinte es allerdings nur halbgut mit uns. Gleich drei armenische Vertreter hatten sich in der zweiten Europaleague- Qualirunde durchgesetzt und daher wurde der Spielplan wild durcheinandergewürfelt. Die „Topteams“ mussten – schlecht für uns - jeweils erst Sonntag ran (was dann zwei Tage vorher auch wieder auf unbestimmte Zeit verschoben wurde) und somit mussten wir uns an diesem Samstag mit diesem einen Kick hier zufrieden geben. Geht aber schon klar und letztlich waren wir froh, nicht leer auszugehen.
Gandzasar Kapan FC gegen Noah FC gab‘s hier heute Abend. Der erstgenannte Verein ist anscheinend gar kein Verein aus Yerevan, trägt aber seit 2017 seine Heimspiele in hier aus, da das Heimstadion den Anforderungen des Verbandes nicht genügt.

Na, wenn diese Anlage mit nur einem Ausbau in Form einer überdachten Sitzplatztribüne auf der Geraden armenischen Erstligaverhältnissen genügt, dann möchte ich nicht wissen, wie das eigentliche Heimstadion aussieht.

Gegner war heute der in Yerevan beheimatete FC Noah, zugegeben ein Verein, von dem ich bis dato noch nichts gehört hatte. Ob die Namensgebung mit dem biblischen Noah zusammenhängt, der seine Arche anno dazumal auf den nicht so weit entfernten Berg Ararat krachen ließ, konnte nicht recherchiert werden. Auf jeden Fall wurde der Club von anfangs sechs, später dann vielleicht zehn Leuten nahezu durchgehend unterstützt, eine Trommel wurde dazu ebenfalls vergewaltigt.
Insgesamt folgten gut 100 Zuschauer bei freiem Eintritt dem mäßig lustbringenden Gekicke auf dem Naturrasen, was am Ende mit 1:1 keinen Sieger fand.
Nach dem Spiel wieder mit Uber (bzw. dessen Äquivalent GG-Taxi) zurück ins Zentrum, wo die halbe Stadt auf den Beinen zu sein schien. Schönes Gewusel, zudem ein musikalisch untermalten Lichterspiel am Springbrunnen auf dem Platz der Republik.
Uns gelingt es nur mit Mühe einen freien Tisch zu ergattern, wo es zum Abschluss des Tages das verdiente Länderpunkt bier plus Pizza gibt.
So ganz zu Ende war der Tag dann aber noch nicht, denn der Plan sah noch in der Nacht vor, auf dem Luftweg zurück nach Tiflis zu starten und so ging es gen Mitternacht zurück zum Airport, von wo gegen 1:30 Uhr eine Maschine der Georgian Airways nach Tiflis durchstartete.

Flugzeit lediglich 30 Minuten und gegen 3:00 in der Nacht lag man wieder im Hotelbett…

 Yerevan