1. FC Lok Leipzig - FC Sachen Leipzig II 0:0
16.03.2008
Zentralstadion
Landesliga Sachsen
Zuschauer: 9.895


City of Mob!

Diesen Titel, in Anlehnung an den Spielfilm "City of God", gab die Zeitschrift 11 Freunde in ihrer vorletzten Ausgabe einem Bericht über die Stadt Leipzig, bzw. die Zustände im Zusammenhang mit Fußball in dieser Stadt.
Anders als im Film rivalisieren hier allerdings nicht Gangs brasilianischer Straßenkinder miteinander, sondern Anhänger der beiden führenden Klubs der Messestadt.
Das besondere daran ist sicher, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu tiels bewaffneten Zwischenfällen abseits der Spieltage kam. Ein Partyüberfall von Lok-Anhängern hier, ein "Revanche-Hinterhalt" von Sachsen da. Alles im allem lässt sich in Ansätzen sicher von einer umkämpften Stadt sprechen, wie sie in Deutschland wohl ihresgleichen sucht.
Heute sollte es also wieder zum Aufeinandertreffen der beiden Clubs kommen. Dass dabei nur die Zweitvertretung der Leutzscher antrat war eher Nebensache, denn beiden Seiten hatten frühzeitig gut mobilisiert, um sich so gut wie eben möglich zu verkaufen und die Vorherrschaft in der Stadt zu bestätigen. Beiden Seiten hatten einen Marsch zur Spielstätte organisiert und so nährten sich von zwei Punkten der Stadt aus beide Gruppen dem Stadion, ohne jedoch die Wege zu kreuzen. Auf unserem Weg zum Stadion konnte man dennoch die Derbyatmosphäre spüren. Ein Hubschrauber kreiste über dem Geschehen und einige kleine Gruppen sportlicher Lokisten waren im Stadtteil unterwegs, sodass für uns die Devise hieß: Unauffällig bleiben.
Während Lok bereits frühzeitig am Stadion war, traf der schätzungsweise 500-Mann starke Anhang des FC Sachsen, oder der DDR-Tradition folgend oftmals immer noch BSG Chemie Leipzig genannt, eine halbe Stunde vor Spielbeginn gut bewacht von der Polizei am Stadion ein. Nach deren Ankunft war es dann auch für uns an der Zeit, das Zentralstadion zu betreten und den Spielbeginn herbeizusehen. Von den 9.895 Zuschauern drückte der überwiegende Teil den Gelbblauen die Daumen, wobei sich der Leutzscher Ultrahaufen bis kurz vor Anpfiff im oberen Tribünenbereich sammelte, um anschließend gemeinsam einzulaufen und dabei ein erstes Leuchtspurgeschoss Richtung Spielfeld zu schicken. Lok konterte sofort mit einem richtig lauten Böller, der dummerweise nur wenige Meter neben dem eigenen Spieler detonierte.
Vielversprechender Beginn also und der nächste "Zwischenfall" sollte nicht lange auf sich warten lassen, als die Lok-Hools im Bereich neben dem Gästeblock (mit einer Zaunfahne??) provozierten und es zu ersten Streiterein am Trennzaun sowie einer Leuchtspur mitten in den Hoolhaufen der Lokisten kam. Eben dieser Zaun und die anschließend gezogenen Polizeikette verhinderten aber einen direkten Kontakt, bei dem Chemie auch den kürzeren gezogen hätte. Teilweise üble Hauer auf Lok Seite.
Danach noch etwa Rauchentwicklung im Heimblock ehe sich die Szenerie beruhigen konnte und sehr guter Support auf Seiten der Gäste, die durch hohe Geschlossenheit, Lautstärke und Abwechslung beeindrucken konnten, auf dem Programm stand. Für mich sowieso eine Szene mit sehr geilem Style.
Auf Lok-Seite bemühte man sich rund um die Ultragruppe Blue Side Lok zwar ebenso redlich, konnte aber die Masse nicht koordinieren, wobei es alles in allem, abgesehen von einigen Liedern, doch ziemlich steigerungsfähig blieb. Nach der Halbzeitpause hing die Gruppe sogar ihre Zaunfahne ab und verließ zumindest teilweise das Stadion. Gründe hierfür bislang unbekannt. Auf die Stimmung wirkte sich dies natürlich negativ aus, sodass in Hälfte zwei auf Heimseite fast gar nichts überzeugendes mehr kam.
Spielerisch war es ebenso grausig anzusehen, sodass es zwangläufig auf ein 0:0 hinauslaufen musste, was für Lok im Kampf um den Ausstieg in die Oberliga eindeutig zu wenig ist.
Nach Abpfiff war dann wieder Action angesagt. Lok raus aus dem Block und den Außenbereich des Stadions entlang gelaufen, einen Trennzaun entfernt und ein Tor aufgebrochen stand man mir nichts dir nichts hinter der Kurve der Gästeanhänger, welche wohl mehr als überrascht waren und daher auch einige von ihnen was abbekamen, ehe die Polizei zur Stelle war. Punkt an Lok, würd ich sagen.
Das Ganze setzte sich wenig später auf der Festwiese hinterm Stadion fort, als mehrere Gruppen Lokhools versuchten von verschiedenen Seiten an die Chemiker heranzukommen und das Bild einem einzigen Chaos glich. Herumrennende Leute, vereinzelte Boxereien und viele planlose Cops, die die Lage nur schwer in Griff bekamen und sich schwer dabei taten, die Gruppen voneinander zu trennen. Irgendwann gelang dies schließlich und nachdem man alles Blaugelbe halbwegs vertrieben hatte, wurde die Gästeschar unter einem riesigen Materialeinsatz (2 Wasserwerfer, Räumpanzer etc.) in den Süden der Stadt geleitet. Lok versuchte dennoch einige Male heranzukommen, was aber wohl nicht so ganz klappte und langsam wieder Ruhe in Leipzig einkehrte. Ganz nebenbei handelte es sich hierbei um ein Spiel der Landesliga.........
Was bleibt zu sagen? Hinsichtlich des Gewaltpotenzials hat sicherlich Lok das absolute Sagen in der Stadt und dies auch heute eindruckvoll bewiesen, wobei Chemie auf Ultraebene um Lichtjahre voraus ist und die Sache wirklich gut macht. Kann ja nun jeder für sich selbst entscheiden, wie dies zu werten ist.
Für uns ging es dann jedenfalls auch irgendwann zurück nach Magdeburg, wo ich mich vom Jan verabschiedete und die restlichen 400 km durchs Chaos der A2 ins beschaulichen Emsland abspulte.
Fazit: Ein (kleines) Derby, welches den Namen noch verdient!