City of Mob!
Diesen Titel, in Anlehnung an den Spielfilm "City of God",
gab die Zeitschrift 11 Freunde in ihrer vorletzten Ausgabe einem Bericht über
die Stadt Leipzig, bzw. die Zustände im Zusammenhang mit Fußball
in dieser Stadt.
Anders als im Film rivalisieren hier allerdings nicht Gangs brasilianischer
Straßenkinder miteinander, sondern Anhänger der beiden führenden
Klubs der Messestadt.
Das besondere daran ist sicher, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu
tiels bewaffneten Zwischenfällen abseits der Spieltage kam. Ein Partyüberfall
von Lok-Anhängern hier, ein "Revanche-Hinterhalt" von Sachsen
da. Alles im allem lässt sich in Ansätzen sicher von einer umkämpften
Stadt sprechen, wie sie in Deutschland wohl ihresgleichen sucht.
Heute sollte es also wieder zum Aufeinandertreffen der beiden Clubs kommen.
Dass dabei nur die Zweitvertretung der Leutzscher antrat war eher Nebensache,
denn beiden Seiten hatten frühzeitig gut mobilisiert, um sich so gut wie
eben möglich zu verkaufen und die Vorherrschaft in der Stadt zu bestätigen.
Beiden Seiten hatten einen Marsch zur Spielstätte organisiert und so nährten
sich von zwei Punkten der Stadt aus beide Gruppen dem Stadion, ohne jedoch die
Wege zu kreuzen. Auf unserem Weg zum Stadion konnte man dennoch die Derbyatmosphäre
spüren. Ein Hubschrauber kreiste über dem Geschehen und einige kleine
Gruppen sportlicher Lokisten waren im Stadtteil unterwegs, sodass für uns
die Devise hieß: Unauffällig bleiben.
Während Lok bereits frühzeitig am Stadion war, traf der schätzungsweise
500-Mann starke Anhang des FC Sachsen, oder der DDR-Tradition folgend oftmals
immer noch BSG Chemie Leipzig genannt, eine halbe Stunde vor Spielbeginn gut
bewacht von der Polizei am Stadion ein. Nach deren Ankunft war es dann auch
für uns an der Zeit, das Zentralstadion zu betreten und den Spielbeginn
herbeizusehen. Von den 9.895 Zuschauern drückte der überwiegende Teil
den Gelbblauen die Daumen, wobei sich der Leutzscher Ultrahaufen bis kurz vor
Anpfiff im oberen Tribünenbereich sammelte, um anschließend gemeinsam
einzulaufen und dabei ein erstes Leuchtspurgeschoss Richtung Spielfeld zu schicken.
Lok konterte sofort mit einem richtig lauten Böller, der dummerweise nur
wenige Meter neben dem eigenen Spieler detonierte.
Vielversprechender Beginn also und der nächste "Zwischenfall"
sollte nicht lange auf sich warten lassen, als die Lok-Hools im Bereich neben
dem Gästeblock (mit einer Zaunfahne??) provozierten und es zu ersten Streiterein
am Trennzaun sowie einer Leuchtspur mitten in den Hoolhaufen der Lokisten kam.
Eben dieser Zaun und die anschließend gezogenen Polizeikette verhinderten
aber einen direkten Kontakt, bei dem Chemie auch den kürzeren gezogen hätte.
Teilweise üble Hauer auf Lok Seite.
Danach noch etwa Rauchentwicklung im Heimblock ehe sich die Szenerie beruhigen
konnte und sehr guter Support auf Seiten der Gäste, die durch hohe Geschlossenheit,
Lautstärke und Abwechslung beeindrucken konnten, auf dem Programm stand.
Für mich sowieso eine Szene mit sehr geilem Style.
Auf Lok-Seite bemühte man sich rund um die Ultragruppe Blue Side Lok zwar
ebenso redlich, konnte aber die Masse nicht koordinieren, wobei es alles in
allem, abgesehen von einigen Liedern, doch ziemlich steigerungsfähig blieb.
Nach der Halbzeitpause hing die Gruppe sogar ihre Zaunfahne ab und verließ
zumindest teilweise das Stadion. Gründe hierfür bislang unbekannt.
Auf die Stimmung wirkte sich dies natürlich negativ aus, sodass in Hälfte
zwei auf Heimseite fast gar nichts überzeugendes mehr kam.
Spielerisch war es ebenso grausig anzusehen, sodass es zwangläufig auf
ein 0:0 hinauslaufen musste, was für Lok im Kampf um den Ausstieg in die
Oberliga eindeutig zu wenig ist.
Nach Abpfiff war dann wieder Action angesagt. Lok raus aus dem Block und den
Außenbereich des Stadions entlang gelaufen, einen Trennzaun entfernt und
ein Tor aufgebrochen stand man mir nichts dir nichts hinter der Kurve der Gästeanhänger,
welche wohl mehr als überrascht waren und daher auch einige von ihnen was
abbekamen, ehe die Polizei zur Stelle war. Punkt an Lok, würd ich sagen.
Das Ganze setzte sich wenig später auf der Festwiese hinterm Stadion fort,
als mehrere Gruppen Lokhools versuchten von verschiedenen Seiten an die Chemiker
heranzukommen und das Bild einem einzigen Chaos glich. Herumrennende Leute,
vereinzelte Boxereien und viele planlose Cops, die die Lage nur schwer in Griff
bekamen und sich schwer dabei taten, die Gruppen voneinander zu trennen. Irgendwann
gelang dies schließlich und nachdem man alles Blaugelbe halbwegs vertrieben
hatte, wurde die Gästeschar unter einem riesigen Materialeinsatz (2 Wasserwerfer,
Räumpanzer etc.) in den Süden der Stadt geleitet. Lok versuchte dennoch
einige Male heranzukommen, was aber wohl nicht so ganz klappte und langsam wieder
Ruhe in Leipzig einkehrte. Ganz nebenbei handelte es sich hierbei um ein Spiel
der Landesliga.........
Was bleibt zu sagen? Hinsichtlich des Gewaltpotenzials hat sicherlich Lok das
absolute Sagen in der Stadt und dies auch heute eindruckvoll bewiesen, wobei
Chemie auf Ultraebene um Lichtjahre voraus ist und die Sache wirklich gut macht.
Kann ja nun jeder für sich selbst entscheiden, wie dies zu werten ist.
Für uns ging es dann jedenfalls auch irgendwann zurück nach Magdeburg,
wo ich mich vom Jan verabschiedete und die restlichen 400 km durchs Chaos der
A2 ins beschaulichen Emsland abspulte.
Fazit: Ein (kleines) Derby, welches den Namen noch verdient!