FC Victoria Plzen - KS Ruch Chorzow  5:0

09.08.2012

Europa-League Qualifikation, 3. Runde, Rückspiel

Stadion mesta Plzne

Zuschauer: 11.651 (ca. 700)

Am nächsten Morgen hieß es auch im wahrsten Sinne des Wortes hier die Zelte abzubrechen und weiterzureisen. Ruch Chorzow auswärts in Plzen. Das versprach einen lohnenswerten, da vollen und lauten Gästesektor. Also via Regensburg in die Stadt des Bieres, vorher mussten allerdings am Grenzübergang Waidhaus noch für ganz freche 16 Euro die Zehn-Tage-Vignette für Tschechien bei einer völlig unmotivierten und ekelhaft unfreundlichen Trulla gekauft werden. Kann ich ja nun auch nichts für, dass die hier jeden Tag in einem muffigen Bretterverschlag sitzen und Aufkleber verkaufen muss.

Naja, die restlichen knapp 70 km bis Plzen  waren dann auch fix absolviert und nach vier Nächten im Zelt konnte es auch mal wieder ein Hotel sein. Eben jenes Hotel Victoria liegt zentrumsnah, hat ein preiswertes Einzelzimmer zu bieten und bekam so den Zuschlag. Nach etwa einer Stunde dann mal die zehn Minuten Fußweg ins kleine aber feine Zentrum gelaufen. Hier muss man auch nochmal wieder mit einem Trupp fähiger Typen zum Feiern hin, denn rund um den Marktplatz, auf dem mittig ein Dom steht, befinden sich einige Seitenstraßen mit netten Kneipen, Diskos usw.

Alles sehr überschaubar, aber fein. Idealerweise liegt auch der Ground direkt am Rand der Fußgängerzone. Also auch hier mal vorbei, aber außer einigen Ruch-Fans, die mit dem Auto angereist waren, ist hier rund fünf Stunden vor Anstoß noch nichts los. Somit erstmal auf die Terrasse eines Restaurants am Marktplatz gesetzt, mir einen Hähnchentortilla mit Reis und zwei Staropramen kredenzen lassen und der Dinge geharrt, die da kommen möchten.

Und siehe da, keine halbe Stunde später rottet sich der erste Haufen Ruch-Jungs zusammen. Alles muskelbepackte Tiere übelster Kategorie.

Etwas unschön vielleicht, dass man dann zum Gruppenfoto vor dem Dom posiert und dabei meint, den rechten Arm heben zu müssen. Völlig unnötig und unsinnig ohnehin, wobei vielleicht interessant ist, dass die Fanszene von Ruch eine Art Sonderstellung in der polnischen Fanlandschaft innehat. Man betrachtet sich in erster Linie nicht als polnisch, sondern primär als patriotisch-oberschlesisch, drückt dies ja auch durch eine " Oberschlesien"- Zaunfahne usw. optisch aus.

Da um mich herum noch reichlich Plätze frei waren, hatte ich kurz Not dieser Haufen würde sich jetzt zu mir setzen und überlegte mir schon eine eventuell plötzlich notwendig sein könnende Fluchtstrategie.

Erfreulicherweise zogen die Jungs aber weiter. Von nun an kamen immer mehr kleine Grüppchen Blauer auf dem Marktplatz zusammen, darunter zwar auch recht viele               "normale" aber auch viele mit einem Dauerabo in den Königshütter Fitnessstudios. Zusätzlich waren übrigens noch die befreundeten Anhänger von Widzew Lodz zugegen und man ließ das ein oder andere Mal auch ein Loblied auf die Freunde von Slovan Bratislava ertönen. Mann, Mann, Mann. Welch ein Dreigestirn…..  Die Policia hielt sich angenehm zurück, hier Unruhe zu verbreiten war auch nicht nötig, denn der Gästeanhang verhielt sich bis auf ein paar Böllerwürfe anständig. Zur Beruhigung verhalf dabei vielleicht auch die entspannte Gesamtatmosphäre, denn derzeit findet in der Pilsener Altstadt das „Sliva Ulice“ statt, eine Art Kulturfest mit vielen Bühnen und sonstigen Dingen. So spielte dann auch heute hier ne Rockband und verbreitete entsprechend entspannte Stimmung.

Allerdings schaffte es der Ruch-Anhang auch das ein oder andere Mal durch markerschütternde " Ruuuuch, Ruuuuch HKS!!!"- Rufe den Sound der Band zu übertönen.

Ca. ne Stunde vor Anstoß ging's dann unter lautem Getöse und einigen Bengalos die paar Meter zum Stadion. Gleiches mache auch ich (also ich bin zum Stadion gegangen, gezündelt habe ich dann eher weniger), vorbei an den Massen deutscher Hopper, die auf dem Schwarzmarkt noch nach Zugangsberechtigungen suchen. Bei den meisten scheinst geklappt zu haben, ich hatte mir vorher auf anderen Wegen meine Legitimation besorgt. Das Stadion města Plzně (Stadion der Stadt Pilsen) ist jetzt rein optisch nicht so der Kracher, halt eher ein fantasieloser Neubau bzw. 2011 komplett renoviert. Erinnert ein wenig an Holland.

Wollen dann doch mal sehen, was die Heimszene so kann, ist doch Tschechien bis auf drei, vier Szenen nicht für seine tobenden Massen im Fanblock bekannt. Ok, hinterm Tor so 300 - 400 Leute, die sich aktiv am Geschehen beteiligen. Zu Spielbeginn gibt' s zudem ne kleine Choreo, gezeigt wird irgendein Typ mit recht muskulösem Oberkörper umrandet von Bahnen und Papptafeln. Bisschen schwer zu beschreiben, daher am besten Bilder angucken. Support dann im weiteren Verlauf gar nicht sooo schlecht, hatte ich schlimmer erwartet.


Ebenfalls cool der Anblick des Gästeblocks, der sich bis kurz vor Anpfiff auch aus dem angrenzendem Block füllte, aus dem einige Polen einfach über den Trennzaun kletterten, um für die kommenden 90 Minuten mittendrin statt nur dabei zu sein. Interessiert hat sich von Seiten der Ordnungshüter niemand dafür.

Alle (naja fast alle) oberkörperfrei und den Zaun schön mit Zaunfahnen zugekleistert, gab schon ein top Bild, dazu die Gesänge getragen von den für Polen so rauen Männerstimmen bei nahezu 100%- iger Mitmachquote.  Niebieeeeeeeeeeeskiiiiiiiiiiiie ohe! Niebieeeeeeeeeeeskie  ohe ohe".  Geil!!!

Um das harte Image aufrecht zu erhalten, gab‘s immer mal wieder ein paar Böller, was dem Stadionsprecher und sicher auch der UEFA nicht so gefallen haben dürfte und in der zweiten Hälfte ein " Bettlaken" mit der ungefährer Aussage "Grüße ins Gefängnis" und den dazugehörigen Namen einiger der Gegrüßten darunter.
Spielerisch stand Ruch vor der wenig dankbaren Aufgabe einen 2:0 Rückstand aus dem Hinspiel wettzumachen. Edles Vorhaben, welches jedoch bereits nach einer Minute jäh beendet wurde. Chorzows spielerische Leistung war allgemein auch übelst schlecht und so wird noch einiges an Arbeit nötig sein, um ernsthaft auf europäischem Parkett eine Rolle spielen zu können. Als Beispiel nur mal so: da macht ein Gästespieler im Mittelfeld völlig unbedrängt nen Hackentrick (!!) und spielt den Ball somit dem Gegner zu. Völlig wirr und es gab einige mehr solcher Sachen während des Spiels. Pilsens Spieler wunderten sich wohl auch ob der Merkwürdigkeit dieses Gegners und gelangten so zu einem nie gefährdeten und in der Höhe noch zu gering ausgefallenen 5:0. Der Stimmung im Gästeblock tat dies gottlob keinen Abbruch, war letztendlich wohl eher Galgenhumor, wenn ausgerechnet der Gast die Welle intoniert. Nach dem Abpfiff noch etwas gewartet bis sich das Stadion leert und den feiernden ( ja, richtig gelesen) Gästepöbel angeschaut, ging's anschließend zu Fuß zurück ins Hotel. Rückfahrt dann am nächsten Morgen, kleiner Abstecher übern Asiatenmarkt an der Grenze (morgens um halb 10 sind hier noch 80 % der Stände zu, die Besitzer der restlichen 20 % zeigen sich aber auch jetzt schon nicht minder nervig), in Nürnberg noch paar Mitfahrer eingesammelt und irgendwann abends in Meppen eingetrudelt.

Cooler Trip bei exakt 3.363 zurückgelegten Straßenkilometern. Dass auch sowas finanziell durchaus im Rahmen bleiben kann, zeigt die relativ hohe Frequentierung über Mitfahrzentrale, sodass der eigene getragene Spritkostenanteil gerade mal bei ca. 90 Euro lag.

Geht wohl!!!