1. FC Union Berlin - BFC Dynamo Berlin 8:0
21.08.2005
Stadion an der Alten Försterei
Oberliga Nordost - Nord
Zuschauer: 14.020

 

 


Am nächsten Morgen ging es nach gutem Frühstück auch schnell wieder los.
Zuerst zum Bahnhof Zoo, wo schon einmal die Sachen weg geschlossen wurden, da man nach heutigem Abpfiff nicht mehr allzu viel Zeit zu verlieren hatte.


Danach hieß das Ziel Berlin Köpenick, also Ost-Berlin, wo heute das sicherlich interessante und ebenfalls genauso brisante Berliner Derby zwischen dem 1. FC Union und dem Berliner Fußballclub Dynamo stattfinden sollte.
Ja, dieses Aufeinandertreffen hat wahrlich Tradition und hat seinen Ursprung in der Oberliga der damaligen DDR.
In der Saison 1976/ 77 trafen beide Teams erstmalig aufeinander. Damals zog dieses prestigeträchtige Match noch 45.000 Zuschauer im damaligen Stadion der Weltjugend in seinen Bann und Union, welches damals als krasser Außenseiter galt, den BFC schlug.


Ganz so viele Zuschauer sollten es heute nicht werden, so waren doch die Vorzeichen ganz andere als noch in den 70 Jahren.
Der BFC Dynamo galt zu dieser Zeit und besonders in den 80ern als das Nonplusultra des DDR Fußballs, so holte man doch reihenweise die Meisterschaft und dominierte die Liga nach Belieben.
Das ganze jedoch immer mit dem Beigeschmack, dass viele Spiele nicht immer ganz lupenrein zu sein schienen und schon weit vor Zeiten von Hoyzer und Co. oftmals der Verdacht von Manipulation zu Gunsten des Rekordmeisters nah lag.
Der Verdacht wurde zudem dadurch erhärtet, dass stets reichlich Politprominenz auf den Tribünen des BFC herumlungerte, allen voran der damalige Minister für Staatssicherheit Erich Mielke.


Wie dem auch sei, heute waren die Verhältnisse andere. Der finanziell angeschlagene 1. FC Union hatte in der vergangenen Saison den bittereren Abstieg aus der Regionalliga Nord in Kauf nehmen müssen und so kam es heute vor 14.020 Zuschauern (für Oberliga natürlich sehr beachtlich) nach 4 Jahren Pause zum erneuten Aufeinandertreffen der beiden Rivalen.
Am Bahnhof Ostkreuz, der einzige Knotenpunkt, um weiter nach Köpenick zu fahren, war dann auch schon reichlich Aktion angesagt.
Massig Polizeipräsenz und saubere Trennung von Union und BFC Anhängern ließ nichts anbrennen.
In Köpenick hieß es dann noch im BFC Tross knappe 20 Minuten Fußweg den Weg zum Stadion zurückzulegen, immer schön begleitet vom Polizeihubschrauber, der über dem Stadtteil seine Runden drehte.
Schließlich am Stadioneingang angelangt, das erste Ärgernis des Tages. Fotokamera für die Dauer des Spiels abgeben! Was soll denn son Scheiß?
Aber diskutieren half nicht, selbst Trick 17 wollte nicht fruchten, der Ordnungsdienst blieb stur. Entweder Kamera abgeben oder draußen bleiben. Wohl oder übel wählte ich dann erste Alternative.
Weniger verärgert über den Ordnungsdienst (die befolgen auch nur ihre Anweisungen, so schwachsinnig sie auch sein mögen) umso mehr ärgerte ich mich über meine eigene Dummheit.
Ich hätte die Situation einfach eher erkennen müssen, denn so gründlich waren die Taschenkontrollen nicht, als das es unmöglich gewesen wäre, die Kamera mit ins Stadion zu bekommen...
Naja, Fotos findet sicherlich jeder auf den bekannten Seiten und mit Exklusivmaterial hätte ich eh nicht dienen können, da es heute - und das kann ich vorweg nehmen- unerwartet ruhig blieb.
Als ich dann das Stadion betrat, lief mir schon ein kleiner Schauer über den Rücken. Welch geile Atmosphäre. Die Ränge prall gefüllt, Gesänge hallten durchs Rund und das Stadion selbst; also ich finds richtig geil. Nehme es mal in meine persönliche Deutschland Top10 auf.
Der Gästeblock füllte sich mit etwa 3000 BFClern auch recht gut, wobei es immer wieder beeindruckt, welche riesiges Gewaltpotenzial dieser Club anzieht. Etwa zweidrittel der Gäste waren üble Kanten und derbe Hauer, viele leider mit offensichtlich merkwürdigen politischen Ansichten.


Dennoch wird es wohl kaum ein Mob in Europa leicht haben, gegen die Truppe vom BFC riottechnisch gut auszusehen.
Dieses Potenzial schien auch die Grünen leicht zu beunruhigen und so sickerte im Verlauf des Nachmittags durch, dass bereits in der Nacht zuvor eine Disko vom SEK etwas unsanft (mit Blendgrante?) gestürmt wurde und ca. 160 BFCler aber auch etliche "Nomalos" ungeknüppelt und später etwa 20 Stunden, also bis nach dem heutigen Spiel festgesetzt wurden.
Was denkt ein Berlin Tourist, der wohlmöglich mit Fußball nix am Hut hat und zufällig hier feiert in solchem Moment???
Diese Polizeiaktion war auch der Grund dafür, dass das Spiel mit halbstündiger Verspätung angepfiffen wurde, denn die Verantwortlichen des BFC hatten wohl scheinbar ernsthaft erwägt aufgrund der Verhaftungen, nicht anzutreten.
Wäre mal ne coole Aktion gewesen aber letztendlich wurde doch gespielt, was meiner Ansicht auch die richtige Entscheidung war und ich nicht sicher weiß, was so abgeht, wenn man nem prallgefüllten Stadion spontan erklärt, dass doch nicht gespielt wird.
Zum Anpfiff zeigte die Hintertortribüne von Union ein langes geklebtes (?) Transparent mit der Aufschrift "1. Fußballclub Union Berlin" plus einigen rotweißen Bahnen und vielen Anti- Dynamo Zetteln.
Auf BFC Seite gab es anfangs laute, kurz und knackige B- F-C Rufe und paar Anti Union Gesänge, während entlang des Gästeblocks auch noch ein Transparent hing, welches ich jedoch nicht einsehen konnte.
Ansonsten lagen die supporttechnischen Vorteile doch eher bei Union, wo immer mal wieder originelle und weniger originelle Spruchbänder gezeigt wurden:

"5.000 Fans in Liga 4 - der Klassenprimus sind jetzt wir!"

" Fuck You! Dem Block in Weinrot-Weiß und den ganzen Hopperscheiß!"

"Laaaaaaangweilig!"

"Selbst wenn wir knien, werdet ihr nie die Größe haben, um auf unsere Augenhöhe zu kommen!"

,um mal einige zu nennen.


Zur Halbzeit stand es dann verdientermaßen 2:0 für die Gastgeber und noch deutete wenige auf die folgende Demontage der Gäste in Halbzeit Zwei hin, welche mit einer kleinen Choreo auf Heimseite gestartet wurde, wo ein "Kategorie Gay" Transparent flankiert mit einigen rosa Zetteln den Gästeanhängern entgegengehalten wurde.
Zudem wurde zweimal die riesige Eisern Union Blockfahne auf der Gegengerade präsentiert.
Auch der Support auf Union Seite im zweiten Spielabschnitt war die meiste Zeit wirklich ordentlich, was sicherlich auch dadurch begünstigt wurde, dass gerade hier der Rivale regelrecht auseinander genommen wurde und somit mindestens Acht Mal ein lautes "Und niemals vergessen.....EISERN UNION, EISERN UNION, EISERN UNION!!!!" erschallte.

Einmal selber die Osnas 8:0 wegschiessen, danach kann die Welt von mir aus untergehen!

Nach dem Spiel (welch Wunder, Kamera noch da und sogar unbeschädigt) dann raus auf die Straße, wo schon zwei Wasserwerfer und Heerscharen an Cops am Gästeausgang bereitstanden.
Blieb aber auch hier alles ruhig soweit ich es mitbekommen habe. Die enorme Polizeipräsenz schien auch wohl bei den größten Psychos Respekt hervorzurufen, was nicht verwundert, denn hier war heute wirklich alles aufgefahren.
Sondereinsatzkommandos und vermummte Cops in schwarzen Kampfausrüstungen, wie man sie nur aus schlechten Filmen kennt, in denen es um Geiselbefreiungen oder Trouble mit Terroristen geht........
Wir hatten es aber eh eilig, da wir unseren Zug gen Heimat ungern verpassen wollten, was letztendlich auch vermieden wurde und man einige Zeit später Richtung Westen der Republik unterwegs war.
Was bleibt zu sagen? Schöner Berlintrip und nochmals vielen, vielen Dank an Hubert für die geniale Gastfreundschaft und gemachte Mühe!