AEK - Panathinaikos Athlitikos Omilos 1:0

08.01.2023

Stadion Agia Sophia

Super League

Zuschauer: 32.500 (keine Gäste)

 

In der proppenvollen Metro geht es bis zur Metrostation Perissos, wo es dann aussteigen heißt und wir den mehrheitlich in gelbschwarz gekleideten Massen einfach folgen. Und es sollte nichts für schwache Nerven werden, zumindest nicht für Geschmacks- und Geruchsnerven, denn strömt zunächst nur der ganz angenehme Geruch von Marihuana durch unsere zarten Nasen, so übernimmt mehr und mehr der beißende und stechende Geruch von Tränengas und Pfefferspray die Dominanz. Horrido, jetzt weiß auch endlich meine Frau, wie das Zeug „schmeckt“, also mal etwas den Schlauchschal über Mund und Nase ziehen, ehe sich auch schon die nagelneue Arena vor uns auftürmt.

Der Grund für die beißende Luft wird schnell offensichtlich, denn der AEK-Riot-Jugendmob liefert sich bereits seit einiger Zeit einen Kampf mit der Staatsgewalt. Unter einer Brücke in Stadionnähe wirft der Mob alles, was werfbar ist, gegen den Feind. Wir begutachten dieses Schauspiel kurz, ehe bei einem fliegenden Händler noch zwei Döschen Bier gekauft und postwendend geleert werden, ehe man sich ins Innere der Arena begibt.

AEK, welches man übrigens „A-Ek“ und nicht wie ich es jahrelang falsch gemacht habe „A-E-K“ ausspricht, ist vor etwa drei Monaten in die neue alte Heimat gezogen, bevor man sage und schreibe 19 Jahre lang in diversen Ausweichstadien spielte.

Das alte Nikos-Goumas-Stadion war 1999 durch ein Erdbeben beschädigt worden und sollte 2004 im Rahmen der Olympischen Sommerspiele renoviert werden. Daraus wurde jedoch nichts, man entschied sich für eine größere Arena an einem anderen Standort.

Für AEK folgte darauf eine schwere Zeit ohne eigenes Stadion. 2013 stieg man gar aus der griechischen Super League ab. Immer wieder probierte man es mit neuen Stadionplänen, welche alle vor Gericht landeten und schließlich aus unterschiedlichen Gründen scheiterten.

2017 gab es dann jedoch die Baugenehmigung für eine neue Arena auf altem Grund, ehe das Ding im September 2022 eingeweiht wurde. Über 100.000 Tickets hätte man offenbar verkaufen können, knappe 32.000 durften dann dabei sein.

Auf den ersten Blick ist es ein recht unspektakuläres modernes Stadion mit Einkaufszentrum, Restaurants und sonstigen Dienstleistungsbüros. Die Besonderheiten liegen aber im Detail, denn im Inneren und Äußeren finden sich Einschläge byzantinischer Architektur, die Blöcke tragen Namen türkischer Städte und im Inneren findet sich ein türkisches Museum. Für jeden ersichtlich prangt vor dem Stadion ein stattlicher byzantinischer Doppelkopfadler, welcher sowohl das Wappen von PAOK sowie auch von AEK prägt, insbesondere weil er Hauptbestandteil des ehemaligen Stadtwappens Konstantinopels ist.

Beide Vereine wurden von aus dem damaligen Konstantinopel vertriebenen Griechen gegründet. Während die Farben PAOKs (schwarz-weiß) einerseits die Trauer über die Vertreibung anderseits die Hoffnung eines Tages nach Konstantinopel aka Istanbul zurückzukehren, ausdrücken, so sind die Farben AEKs gleichzeitig die der griechisch-orthodoxen Kirche und AEK steht für nichts anderes als Athlitiki Enossi Konstantinoupolis, also „Sportvereinigung Konstantinopel“ und manch ein ganz verrückter Nostalgiker würde behaupten, dass nicht das Spiel gegen Panathinaikos das Derby, sondern das Spiel gegen Galatasaray ist.

Vermutlich wird der SVM eher deutscher Meister als dass man tatsächlich dauerhaft nach Istanbul zurückkehrt, also mal nach dieser etwas längeren historischen Abhandlung zurück ins hier und jetzt, wenngleich ich die Tradition und Geschichte natürlich schon recht interessant finde und es sicherlich nicht schadet, diese etwas zu kennen, um gewisse Dinge zu verstehen.  

Spitzenspiel in der griechischen Eliteliga. AEK (2. Platz) muss schon siegen, um Panathinaikos (1. Platz) nicht davonziehen zu lassen und entsprechend groß war die Euphorie. Das Stadion war bei Anpfiff restlos ausverkauft, natürlich waren Gästefans nicht zu finden.

Obwohl bei derlei Spielen und eigentlich auch insgesamt das „normale“ Publikum wesentlich emotionaler bei der Sache ist als bei uns in Deutschland, steht der aktive und organsierte Teil der Fanszene im Unterrang hinterm Tor, rund um die Gruppe bzw. Fanvereinigung „Original21“ nämlich.

Obwohl sicherlich auch der Anhang der Gelbschwarzen nicht für aufwendige Choreos bekannt ist, gibt es zumindest eine kleine optische Aktion zu Spielbeginn. Die beiden in Oberrang und Unterrang gezeigten Banner richten sich gegen die Geschichte des Stadtrivalen und die Mentalität dessen Anhängerschaft und bedeuten frei übersetzt „Vazela (was wohl eine umgangssprachliche Formulierung für Angsthase, Schwächling etc. ist) deine Geschichte sind die Lügen, der Verrat und die Schande“, ohne dass ich den Hintergrund genauer recherchiert hätte und dieser vermutlich hier auch den Rahmen sprengen würde. Passend dazu „hoppeln“ ein paar grünweiße „Angsthasen“ durch den Block.

Dazu dann – wie sollte es anders sein – Pyro, Pyro, Pyro, vereinzelt auch auf den Geraden und in den teureren Bereichen des Stadions. Stell dir vor, du zündest in einem deutschen Bundesligastadion einfach nen Bengalo auf der Haupttribüne…..

Eigentlich brannte immer mal wieder irgendwo eine Fackel, insbesondere nach dem einzigen Tor des Tages dann erneut recht massiv und der Schiri musste nach größeren Aktionen das Spiel mehrfach kurz unterbrechen, da der Rauch schwer abzog. Ein tierisch lauter Böller detonierte in Hälfte zwei neben dem Gästekeeper, dieser ging für wenige Minuten zu Boden und während in Deutschland das Spiel nun zu Ende gewesen wäre, schüttelte sich der Top-Lad zweimal und es ging weiter.

Nicht, dass ich Polenböller (bzw. dann hier eher Griechenböller) im Strafraum und sonst wo in irgendeiner Form gutheiße, zeigt dies doch wie anders die Uhren hier mitunter ticken.

Spielerisch war’s erneut ziemlich schwach, der Stimmung tat das aber im Grunde keinen Abbruch, denn diese war durchweg gut; sehr gut, um genau zu sein.

Ist man aber ganz kritisch und betrachtet man für sich, dass man auf ganz hohem Niveau klagt, dann lässt sich kritisieren, dass POAK ein paar Tage zuvor im Stadtderby lautstärketechnisch nen Tacken stärker war und dass AEK die Möglichkeiten (volles Haus, vollüberdachte kompakte Arena) nicht zu 100% ausgenutzt hat. Dies bestätigten mir dann ehrlicherweise auch ein Grieche sowie ein ausgewiesener Griechenlandexperte und ehemaliger Fanzineschreiber aus Stuttgart, mit denen ich mich während bzw. nach dem Spiel kurz austauschte.

Die Prozesse innerhalb der Fanszene müssen sich wohl noch im neuen Stadion etwas einspielen, um das maximale Potential auszuschöpfen. Aber wie gesagt, Jammern auf ganz hohem Ross. So waren wir natürlich dennoch vollends zufrieden mit dem Dargebotenen, sodass es dann am nächsten Vormittag gut gelaunt wieder ins kalte Deutschland gehen konnte.