Racing Club de Avellaneda - Club Atletico Independiente 2:0
16.04.2011
Estadio Presidente Juan Dom. Peron (El Cilindro)
Torneo Clausura
Zuschauer: 60.000 (ca. 3.000)
Es ist Herbst 2010 und endlich ist man fest dazu
entschlossen, im Frühjahr den lang ersehnten Trip gen Argentinien in die Tat
umzusetzen. Das Buchen des Fluges ging recht problemlos über die Bühne und so
bekam letztendlich für 900 Euro Alitalia ab Amsterdam den Zuschlag. Etwas
günstiger ging es zwar auch noch, wenn auch nicht übermäßig und dann auch nur
mit bescheidenen Abflugzeiten oder mit seltsamen Umstiegen in Washington mit
fast 12-stündigem Aufenthalt und so.
Neee, dann können sich mal lieber andere an US-Flughäfen schikanieren lassen und dort
einen Persönliche-Daten-Striptease hinlegen; ich muss das nicht haben.
Das halbe Jahr bis zum Beginn der Reise verging wie
im Flug und so sauste man an diesem Freitag von der Arbeit nach Hause, wo auch
wenig später Jans Mutter bereit stand, um eben den Jan, meine Freundin und mich
gen Amsterdam/Schiphol zu chauffieren. Dort zeitig angekommen gings zunächst
nach Rom, wo man über den riesigen Flughafen hetzte, da die Zeit bis zum
Abheben des Anschlussfliegers durch verspätete Ankunft in der italienischen
Hauptstadt nun doch etwas eng wurde. Schlussendlich
aber alles noch problemlos geschafft und schon war man in der Luft Richtung
Südamerika. Geiles Gefühl, dass es nun endlich los ging und sowieso war es für
jeden von uns das erste Mal, dass es überhaupt über den „großen Teich“ ging.
Der Flug verlief dank ganz ordentlichem Entertainmentprogramm (Rocky 1 auf
Video usw.) ganz entspannt und ich bekam trotz Sitzstellung für ein paar
Stunden die Augen zu, ehe im
Morgengrauen der Flieger zum Landeanflug ansetzte. Am internationalen Flughafen
von Buenos Aires hieß es dann nochmals artig Schlangestehen für Passkontrolle,
Gepäckempfang und nochmaliges Durchleuchten der Koffer, sodass gut eine Stunde
nach Landung dann auch der Typ gesichtet werden konnte, der uns zu unserem
angemieteten Apartment im Stadtteil San Telmo fahren sollte. Dieses hatten wir
frühzeitig über www.welcome2ba.com
gebucht, da es doch die kostengünstigere Variante zu einem Hotel und die
komfortablere zu einem 8-Schlafsaal mit irgendwelchen Zotteligen war. Unser
Fahrer war ein wirklich netter Kerl und sprach zu aller Überraschung sehr gut Deutsch, da er mal für einige Jahre in
Berlin gelebt hatte. So erfuhr man während der Fahrt zur Wohnung einige
interessante Dinge über Land und Leute, ehe man nach einer halbstündigen Fahrt
an der Unterkunft für die nächsten zehn Tage ankam.
Unser auserwähltes barrio (Stadtteil/Viertel) San Telmo gehört zu den ältesten der
Hauptstadt (Zitat unseres Fahrers: „Ein bisschen so wie Prenzlauer Berg“), was
sich auch an den Gebäuden und den vielen Kopfsteinpflasterstraßen ausdrückt.
Den Erzählungen zu Folge liegt auch hier die Wiege des Tango, der auch heute
noch überall hier gegenwärtig ist und der geneigte Tänzer ihn in den vielen
Tangoschulen erlernen kann. Ansonsten prägen den Stadtteil viele Restaurants,
Bistros, Kneipen, Antiquitätenläden und Hinterhöfe, in denen es dies und das zu
kaufen gibt. Wirklich sehr nett und mit viel, viel Flair. Kurz die Formalitäten
geklärt und die Koffer ausgepackt, ging es auch schon zum ersten Spiel, welches
sogleich einen Kracher darstellen sollte und sich im Nachhinein mit einem
weiteren Spiel um einen Platz unter den ersten fünf meiner persönlichen
„Beste-Spiele-Liste“ streitet.
Das „clasico de Avellaneda“ ruft und wir mittendrin.
Beide Vereine sind im Stadtteil Avellaneda beheimatet und beide „canchas“
liegen nur 300 Meter voneinander entfernt. Normalerweise völlig utopisch aber
in der Fußball-Welthauptstadt beinahe völlig normal, wo sich Verein an Verein
drängt und jeder noch jeweils über Jahrzehnte gewachsene Fanszenen um sich
weiß.
Die Tickets hatten wir übrigens im Vorfeld über die
Agentur gebucht, über die wir auch die Wohnung bekamen und die auch sonst für
alles, was man so Lustiges machen will (Ballonfahrten, Tangoshows , weitere
Fußballspiele u.v.m.) Ansprechpartner ist. Normalerweise greife ich nur als
letztes Mittel auf solche Organisationen zurück aber hier wars echt angebracht,
da alle vorher aus Deutschland gemachten Anstrengungen an Tickets zu gelangen
gescheitert waren. So musste man also wohl oder übel 75 Euro je Nase auf den
Tisch legen, was gerade für argentische Verhältnisse reichlich happig ist aber
letztendlich jeden Peso wert war.
Schwarzmarkttechnisch wäre auch etwas gegangen, da rund ums Stadion
zahlreiche Händler unterwegs waren aber da wollte man sich vorher bei seinem
ersten Südamerikaspiel nicht drauf verlassen.
So also mal rein in die gute Schüssel, welche ja
schon ein ziemlich geiles Teil ist und zu den wenigen vollständig überdachten
Stadien der ersten Liga gehört. Charakteristisch sicherlich noch der Turm, der
sich mittig der Geraden erhebt oder der Wassergraben, der allzu feurige hinchas vor einer Pitch Invasion
abhalten soll. Stimmungstechnisch wehte bereits eine Stunde vor Anpfiff einer
wahrer Orkan durchs Rund und man beobachtete das kurzweilige Gewusel im
Stadion. Der Racinganhang pflastert das Stadion schön mit Zaunfahnen zu, das
obligatorische Spannen der Bänder, Schirme, Luftballons usw. und auch der
Gästemob, der um die 5000 Leute groß sein dürfte, füllt den Bereich im Oberrang
nahezu komplett aus. Tradition ist es in Argentinien ebenfalls, dass man den
Einmarsch der barra brava (harter
Kern der Fans) zelebriert, denn diese bahnen sich wenige Minuten vor Anpfiff
mit Trommeln usw. den Weg in die Mitte der Blocks, wobei man sich fragt, wie in
diesen ohnehin schon völlig überfüllten Block nochmals mehrere hundert Leute
reinpassen sollen.
Als es dann losgeht, bricht im Stadion die Hölle los, um einen herum rasteten die Leute vollkommen aus und brüllen ihren Fanatismus heraus. Das Ganze mit dem typischen Winken des Armes und in dieser geilen Stimmlage, die ein wenig an (das alte) Italien erinnert. Dazu Rauch und Papierschnipsel, mit denen alles andere als gegeizt wird und als sich nach Minuten die Nebenwand verzogen hat, wird die Blockfahne der „La Guardia Imperial“ heruntergelassen, die ein unfassbar riesiges Teil ist und nahezu die Hälfte des Grounds abdeckt. Gigantisch!!! Jetzt müsste man eigentlich aufhören mit dem Hoppen, dies hier ist der Zenit, mehr geht wohl kaum noch und dies wird für alle Zeit unerreichbar sein….. Der Gästeanhang liefert ebenfalls einen Auftritt, der unter „normalen“ Voraussetzungen im oberen Drittel anzusiedeln wäre, geht jedoch mehr oder weniger gegen die Stimmgewalt von 50.000 Kehlen nahezu unter. Beim Führungstreffer für Racing rennt der komplette Pöbel in der Kurve nach unten, was alleine schon das Eintrittsgeld wert ist. Hammer Torpogo!!
Insgesamt vergehen die 90 Minuten gefühlt viel schneller als gewohnt und so ertönt auch schon allzu früh der Abpfiff, hätte mir das noch stundenlang ansehen und anhören können. Eine seltsame Regelung ist es allerdings, dass nach Abpfiff der Heimanhang noch eine halbe Stunde im Stadion verharren muss, eher die Gäste das Areal verlassen haben. In diesem Fall fragte ich mich zwar, wie das konkret läuft. Wird Indenpendiente einfach 300 Meter zu deren cancha eskortiert und gut ists? Seltsam, aber den ganzen Tag bekam man außerhalb des Stadions keinen Roten zu Gesicht. Nun denn, irgendwann durften also auch wir wieder raus und man schnappte sich das erstbeste Taxi, welches einen für wenige Euro (Taxifahren ist hier sehr günstig, man sollte aber immer ein Taxi von „Radio Taxi“ nehmen, die anderen sind oft mal unseriös und versuchen gern mal einen zu verarschen) zurück zur Wohnung fuhr. Hier aber nur kurz verweilt, ehe es zu einer tagesabschließenden Pizza in ein Restaurant um die Ecke ging. Allmählich machte sich nach fast 48 Stunden ohne wirklichen Schlaf dann doch etwas die Müdigkeit breit, ehe man irgendwann wie tot in sein Bett fiel.