SSC Bari – Como 1907 2:2
15.04.2023
Stadio San
Nicola
Serie B
Zuschauer: 17.599 (ca. 70 Gäste)
Die Zeit um
Ostern wird ja traditionell dazu genutzt, um etwas in der Weltgeschichte
herumzureisen. Italien war mal wieder das Ziel, da war man zumindest was den
Calcio angeht ja auch schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr, genauer genommen
datiert der letzte Besuch auf April 2019 mit der Partie Napoli gegen Bergamo.
Länger sogar
noch ist der letztmalige Besuch beim Airport in Weeze her, aber von hier sollte
uns heute Abend die „Goldene Harfe“ für einen günstigen Tarif nach Pescara und
knapp eine Woche später wieder zurückbringen. Ich hatte den Airport zwar als
klein, jedoch nicht mehr als SO klein in Erinnerung. Zumindest heute ging hier
nicht sehr viel und alles war mehr als entspannt. Außer unserem Flieger sollten
heute nur noch eine Maschine nach Kopenhagen und gleich drei nach Marokko
(zweimal Fes, einmal Oujda)abheben, sodass ein stattlicher Marokk-Mob im
Terminal herumlungerte.
Ganz so weit
südlich sollte es also für meine bessere Hälfte und mich dann nicht gehen und
so setzten wir nach gut 1,5 Stunden Flug auch schon in Pescara, einer
120.000-Einwohnerstadt in den Abruzzen, auf.
Hier wurden die
nächsten drei Tage verbracht und einfach mal klassisch „Urlaub“ gemacht, lecker
essen, die Stadt und paar Ortschaften im Umkreis erkunden, bisschen
runterkommen und so; man kennt das.
Alles ganz
relaxt, der Ball sollte eh erst am kommenden Wochenende rollen, sieht man mal
von einem unter der Woche stattfindenden Champions-League-Spiel in Mailand ab.
Pescara gewinnt
nun sicherlich nicht den Preis „Schönste Stadt Italiens“, eigentlich gibt es
hier rein gar nichts Besonderes zu sehen, dafür hat man aber eine
kilometerlange Beachline mit richtig breitem Sandstrand. Mitte April ist hier
jedoch noch entspannte Ruhe vor dem Sturm, ehe so ab Mai wohl langsam die
Tourihorden hier einfallen und es somit vorbei ist mit der Harmonie.
Guckt euch mal
die Satellitenbilder bei Maps an…. Sonnenliege an Sonnenliege. Muss man mögen
sowas. Zwei volle Tage reichen hier also allemal und so ging es am Freitag via
Zug die etwa 300 Kilometer südwärts gen Bari, Hauptstadt der Region Apulien.
Dabei hatten
wir heute sogar Glück, denn irgendwie streikte die „Bahngewerkschaft“ an diesem
Freitag zumindest teilweise und einige Züge fielen aus, der unsrige aber fuhr
gottlob, sodass wir nach entspannter Fahrt zur 15. Stunde des Tages am Bari
Centrale einfuhren.
Unser Zimmer im
6. Stock eines Wohnblocks am Rande der Altstadt war schnell bezogen und so
konnte etwas die neue „Hood“ erkundet werden. Das - nennen wir es mal
„Touristische“ Zentrum der 300.000-Einwohnerstadt am Meer gliedert sich primär
in die auf einer Art Landzunge gelegenen Altstadt mit typisch-italienischen
engen Gassen, der auf jedem Bari-Reiseführer abgebildeten Basilika San Nicola,
wo irgendwie die Gebeine vom Nikolaus liegen oder lagen und der angrenzenden
Neustadt mit allerlei Geschäften, Restaurants etc.
Hat man auch
alles an einem halben Tag abgelaufen, die Lage direkt am Wasser gibt dem Ganzen
aber natürlich ein entsprechendes Flair und bei etwas höheren Temperaturen kann
man bei Bedarf auch den Stadtstrand okkupieren.
Dazu sind wir
aber locker mal 4-6 Wochen zu früh hier, sodass die Zeit besser locker bei
Pizza, Bier und Rotwein im Innenraum eines Restaurants verbracht wird, ehe auch
dieser Tag irgendwann sein Ende findet.
Und am darauf
folgenden Sonntag sollte dann auch endlich der Ball rollen. Bari, grande Amore.
So heißt es nicht nur in der Vereinshymne, welche hier vor Anpfiff voller Inbrunst
vorgetragen wird.
Ohne, dass der
Verein über irgendwelche besonderen Erfolge verfügt, schwingt beim Namen Bari
dennoch irgendwie diese ganz besondere Aura mit, die so manche Clubs einfach
inne haben. Das Stadio San Nicola ist nicht nur dadurch, dass es bei der WM
1990 für fünf Spiele als Spielstätte fungierte, ja fast ein Pflichtground in
jeder „Sammlung“.
Aber erstmal
dort hinkommen, was nach ersten Recherchen gar nicht so einfach ist. Das Ding
liegt ca. 6 Kilometer außerhalb des Zentrums im Süden der Stadt ziemlich
lieblos platziert zwischen einer Schnellstraße und ein paar Gewerbebetrieben.
Ein Großteil
der Zuschauer reist daher auch mit dem Auto an und parkiert dieses auf dem
weitläufigen Parkplatz vorm Stadion inmitten von Fanartikelständen und Typen,
die Peroni und Borghetti aus voll mit Eis bepackten Kühltruhen zum fairen Kurs
verkaufen.
Hinter der
Curva Nord tummeln sich paar hundert Ultras beim lockeren Zusammensein und
schleppen peu a peu das Material ins Stadion. Dazu sind es angenehme 20 Grad
bei Sonnenschein. Italien, grande Amore.
Ach ja, wie
sind wir jetzt eigentlich hierhergekommen?
Ein Mietwagen
war auf dieser kleinen Reise so sehr vorgesehen, wie Frauen in der ersten Reihe
bei Hansa Rostock. Google Maps wirft zwar eine Art „Regionalzug(?)“ ab
Hauptbahnhof raus, ab dessen letzter Station ist es aber immer noch eine halbe
Stunde Fußweg durch offenbar unwegsames Gelände.
Selbst ein paar
Kontakte aus meinem Umfeld, die bereits mal dort waren, bestätigten mir, dass
das Stadion mit „Öffis“ sehr bescheiden zu erreichen sei.
Aber manchmal
kann es so einfach sein, denn ein Nachfragen beim Vermieter des Zimmers
schaffte Klarheit und rief die bis dato unbekannte Bus-Linie 20 auf den Plan.
Diese operiert offenbar halbwegs stündlich zwischen Bahnhof und Stadion und
benötigt etwa eine halbe Stunde. Nachahmern sei gesagt, dass der Bus zunächst
auf dem Hinweg am Stadion vorbei fährt und dann an irgend nem Kreisverkehr eine
kurze Pause macht, um den geneigten Fahrgast dann erst auf dem Rückweg direkt
am Stadion rauszulassen. Vermeidet also tunlichst, bereits auf dem Hinweg
irgendwo auszusteigen. Ihr findet euch hoffnungslos in einem Gewirr von
Schnellstraßen wieder…
Wir waren also
endlich da. Der Ground thront wie ein gelandetes Ufo vor uns und die vorab im
Netz für je faire 13,50 Euro erworbenen Tickets gewähren uns Zugang auf den
Oberrang der Südtribüne. Direkt gegenüber die „Nord“ in der sich hauptsächlich
die drei großen und traditionsreichen Gruppen „Bulldogs“, „Seguaci della Nord“ und
Re David“ einfinden. Rechterhand der Gästeblock, in dem sich heute ca. 70
Gestalten vom Comer See tummeln.
Wohl alles eher
Normalos und keine Szeneleute, Support daher eher Mangelware. Machte aber
nichts, denn die Nordkurve machte auch heute ihrem guten Ruf alle Ehren, denn
das war italienische Fankultur, wie ich sie liebe.
Schöne Gesänge
mit Ohrwurmcharakter, hohe Mitmachquoten, Trommler, die ihr Handwerk in
unnachahmlicher Form beherrschen und eine Leichtigkeit im Support der
Mannschaft, wie man sie nur südlich der Alpen findet. Dazu ganz offensichtlich
Unterstützung aus Genua, denn der Lappen von Ultras Tito prangte mittig am
Geländer. Praktischerweise musste das akut abstiegsgefährdete Sampdoria am
Folgetag im etwas südlicher gelegenen Lecce antreten, was wiederum Erzrivale
von Bari ist.
Auf dem Rasen
hatte der Gastgeber als Tabellendritter in der kompletten ersten Hälfte kaum
Zugriff aufs Spiel und fand kein so rechtes Mittel gegen die aggressiv
pressenden Gäste. Folglich ging es mit einem 0:2 in die Kabine. Die
Pausenansprache schien gewirkt zu haben, denn die zweite Hälfte wurde wiederum
von Bari beherrscht, sodass man wenigstens mit einem 2:2 nach 90 Minuten etwas
Schadensbegrenzung betreiben konnte und alle Zuschauer eher zufrieden als unzufrieden
das Stadio verließen. Wir taten es ihnen hinsichtlich der Zufriedenheit gleich,
mehr ob der guten italienischen Atmosphäre als wegen des Ergebnisses,
wenngleich es dem SSC Bari schon zu wünschen wäre, nach 12 Jahren Abwesenheit in
die Serie A zurückzukehren. Zwar gelang nach Insolvenz und anderen „italienischen
finanziellen Ungereimtheiten“ in der vergangenen Spielzeit erst der Aufstieg
aus der Drittklassigkeit, aber die Ambitionen dürften mittelfristig höherer
Natur sein.
Nach dem Spiel wieder mit dem Bus Linie 20 zurück ins Zentrum, an Bord mindestens 8 weitere Deutsche, die auch beim Spiel waren. Bekloppt sowas.