CA Boca Juniors - Ca Tigre 3:3

17.04.2011

Estadio Alberto Jacinto Armando (La Bombonera) 

Torneo Clausura 

Zuschauer: 50.000 (ca. 4.500)

Am nächsten Morgen wurde man von geschäftigem Treiben vor der Wohnungstür geweckt und erhielt nach einem Blick vom Balkonfenster sogleich Aufklärung darüber, wer denn Urheber dessen sein möge. Unzählige Händler sind dabei, ihre Marktstände entlang der Straße aufzubauen und einige Zeit später säumt ein kilometerlanger Flohmarkt die Straße. Wir nehmen aber zunächst in aller Ruhe unser Frühstück ein und bummeln anschließend bei feinstem Sonnenschein über den Markt. Angeboten wird allerlei Krimskrams von den typischen Touristensachen bis hin zu vielen netten Antiquitäten; gleichzeitig bewegen wir uns an den südlichen Rand San Telmos, an den sich quasi nahtlos und nur durch eine Hauptstraße getrennt der berühmt berüchtigte Stadtteil La Boca anschließt. Ein, sagen wir mal, kontrastreicher Stadtteil. Kontrastreich  daher, weil sich hier diese allseits bekannten kunterbunt lackierten Häuser finden, die nahezu auf jeder Postkarte der argentinischen Hauptstadt zu finden sind und natürlich deshalb, weil hier der wohl bekannteste und erfolgreichste Fußballclub des Landes beheimatet ist und „La Bombonera“ wie eine Festung emporragt. Auf der anderen Seite ist La Boca aber auch einer der ärmeren Stadtteile und versprühte zumindest auf uns ein irgendwie seltsames Flair. Kaum die imaginäre Stadtteilgrenze überschritten, ändert sich das Ambiente merklich. Schlagartig weniger bis irgendwie gar keine Touristen, die Gebäude eher heruntergekommen und insgesamt weniger dieses lebhafte Treiben wie noch ein paar Häuserecken weiter. Nicht beunruhigend aber dennoch auffällig. Die paar Meter bis zur „Pralinenschachtel“, wie man „La Bombonera“ frei übersetzen kann, sind schnell absolviert und wir versuchen uns am Tickethäuschen. Ein Ordner an einem Absperrgitter gibt uns zu verstehen, dass kein Verkauf mehr stattfindet, da wohl ausverkauft. Mhhh, blöd, da hatte ich jetzt eigentlich nicht mit gerechnet, da Boca ne Scheißsaison spielt aber nagut. Schon auf dem Weg zum Stadion wurde man x-Mal von mehr oder minder zwilichten Gestalten  (mit Knastträne usw.) angesprochen, ob man Tickets benötigte.

Aber noch ist Zeit und vielleicht öffnet ja kurz vor Anpfiff  doch noch irgendwo ne Luke zum offiziellen Verkauf. Bis dahin mal ein wenig in La Boca herumschlendern und zu diesem netten bunten Häusern. Der Weg dorthin laut Karte nur ein paar Häuserblocks, also mal los. An einer Kreuzung spricht uns plötzlich ein Einheimischer an und da keiner von uns des Spanischen wirklich mächtig ist, verstehen wir nicht sofort, was er meint. „Zona peligrosa“ und „no tourist“ sind ein paar Fetzen, die man aufschnappt und allmählich wird es klarer. Er will uns aufgeregt mitteilen, nicht die Straße links herunterzugehen, da dies wohl der vollkommen falsche Ort für Touristen sei, als die wir aber dummerweise rein äußerlich recht schnell auffallen dürften. Ein weiterer Passant wiederholt per kurzem Handzeichen wenig später nochmals die empfohlene Marschrichtung, welche wir natürlich artig befolgen.  Wirklich vertrauenswürdig ist die Gegend hier nun auch nicht und mit leicht mulmigem Gefühl geht es von Häuserblock zu Häuserblock, wobei sich immer weniger Menschen auf den Straßen finden lassen und nur hier und da mal einer am Bordstein herumlungert. Noch ein paar Blocks weiter und ein Blick auf die Karten verrät, dass es noch ein ganzes Stückchen bis zum Ziel ist, hat wohl jeder von uns ein ungutes Bauchgefühl und wir beschließen, hier nicht weiter zu gehen, sondern auf alberne bunte Häuser zu verzichten und direkt zum Stadion zurück zu gehen. Mag im Nachhinein vielleicht eine überzogene Reaktion gewesen sein, aber ohne Grund sagt einem der Instinkt auch nicht „Stopp“ und hier wäre es definitiv ein leichtes Gewesen, uns in aller Ruhe komplett abzuziehen. Zudem erst der zweite Tag Buenos Aires und da fehlt einem noch so etwas das Gespür dafür, was hier normal oder was bedrohlich ist. Also noch ein wenig in einer Art Park am Stadion herumgelungert, um anschließend mal den Schwarzmarkt zu sondieren. Mit einem halbwegs vertrauenswürdig aussehenden Kerl (eigentlich sieht von diesen Typen keiner vertrauenswürdig aus) kam man dann recht schnell ins Geschäft und so wechselten 200 Peso (ca. 35 Euro) je Nase den Besitzer. Originalpreis lag übrigens bei 40 Peso, also netter Gewinn, aber was blieb uns groß übrig, ohne großartige Spanischkenntnisse unsererseits? Allgemein kommt man in BA mit Englisch außer vielleicht in einigen Restaurants nicht unbedingt weiter, von den bestimmt zehn verschiedenen Taxifahrern sprach zum Beispiel nicht einer Englisch…..

Der Einlass ins Stadion verläuft hier für Südamerika unerwartet gesittet und diszipliniert. Alle Stellen sich in eine (lange) Schlange und die Ordner lassen immer mal wieder Gruppen durch und bis man dann mal endlich im Inneren ist, wurde man dreimal kontrolliert, wenn auch jedes Mal eher lasch. Für Nachahmer vielleicht noch ein Tipp, wie man eventuell auf dem Schwarzmarkt angebotene gefälschte Tickets erkennt, von denen es hier definitiv so einige gibt. Einfach mal mit dem Fingernagel über die Vorderseite ziehen; falls dann die darunter liegende gräuliche Schicht erkennbar wird, ists ein Original, falls nicht, wie bei dem Typen vor mir in der Schlange, heißt es draußen bleiben…….

Aber wir waren drin in einem der weltbekanntesten Stadien überhaupt. Was für ein Prachtbauwerk! Leider nicht auf den erwarteten Plätzen auf der Geraden, sondern im Hintertorbereich in Sichtweite zur wohl mächtigsten barra brava des Landes, La Doce. Also mal lieber am äußersten Rand der Tribüne Stellung bezogen, wo auch eher das gemäßigtere Publikum anzutreffen ist und wo es noch einen Blick auf die „nette“ Gegend rund ums Stadion gibt.

Die Zeit bis zum Anpfiff damit vertrieben, den Jungs mittig des Blocks beim Spannen der Bänder usw. zuzuschauen. Auch hier wird der Platz mittig der Tribüne freigehalten, bis dumpfes Getrommel aus dem Inneren der Katakomben den Einmarsch von La Doce ankündigt. Sehr geil, zuerst die Trommeln, dann das Blasorchester, dann die Fahnen und zum Schluss der Rest, bis der Mob komplett ist und die Post abgehen kann. Locker 150 Hauer stehen auf den Wellenbrechern und halten sich an den Bändern fest, was ja alleine schon geil aussieht, dazu passende Ohrwurmmelodien, die man in unsrigen Gefilden so nicht kennt. 90 Minuten volle Power, da gibt es nichts zu beanstanden. Absolut überzeugend!!

Aus dem Vorort Tigre sind ebenfalls gute 4.-5.000 (die Barra Brava nennt sich „La Barra del Matador“) Leute angereist, die sich im gegenüberliegenden Oberrang niedergelassen haben, aber aufgrund der Entfernung und der Lautstärke im Heimbereich eher selten zu hören sind. Den Bewegungen nach zu urteilen, ging man aber auch hier ganz gut ab. Zudem hatte man noch ne Blockfahne im Gepäck.

Nach einem munteren 3:3 musste auch hier wieder die obligatorische Blocksperre abgewartet werden, ehe man auch raus darf. Mal den überwiegenden Teil des Publikums abwarten, man hat ja Zeit satt. Irgendwann also auch den nach Urin stinkenden Treppenabgang runter, ehe es von hinten drängelt und schiebt, schnell umgedreht und auch die Freundin an die Wand gezogen, denn La Doce bringt das komplette Material raus und hat es dabei nicht nötig zu warten. Respektvoll machen auch die anderen Leute Platz und wer dies nicht ähnlich handhabt, wird schonmal unsaft zur Seite befördert oder bekommt den ein oder anderen Hieb…..

Wie viel Einfluss und Macht diese Gruppe hat, wurde uns dann auch nochmal auf dem Nachhauseweg an der Hauptstraße gezeigt, als plötzlich vier Busse entlang fuhren, aus denen fahnenschwenkend Gelbblaue aus den Fenstern hingen. An sich ja nichts Besonderes, aber wenn die Eskorte dann noch aus diversen Polizeifahrzeugen plus Wasserwerfen besteht, schon…….

Wir ließen anschließend den Tag bei leckerem Essen und ein paar Flaschen Quilmes (sehr empfehlenswerte heimische Biermarke) ausklingen.