Royal Union Saint-Gilloise – Koninklijeke Beerschoot VA  0:0

(Spielabbruch in Minute 82)

10.04.2022

Stade Joseph Marien

Eerste Klasse A

Zuschauer: 10.500 (ca. 250 Gäste)

An diesem Sonntag stand also Kick 2/2 an und zwar im gut bürgerlichen Stadtteil St. Gilles im Brüsseler Süden. Über die Geschichte der dort ansässigen Royal Union Saint-Gilloise haben in den letzten Wochen ja bereits unzählige überregionale Medien berichtet, selbst die Sportschau widmete dem Verein fast eine halbe Stunde Sendezeit.

Dabei hätte man den bis letztes Frühjahr vermeintlich unbedeutsamen belgischen Zweitligisten durchaus schon damals auf dem Schirm haben können, denn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bejubelten die Gelbblauen 11 Mal den Meistertitel, ehe man in den 70er Jahren in den Niederungen des belgischen Fußballs versank.

Dennoch ist es bis heute der dritterfolgreichste belgische Fußballverein.

Seit letztem Jahr ist man dann auch wieder erstklassig, nicht zuletzt wegen der Millionen, die der britische Investor Tony Bloom seit 2018 in den Verein pumpt. Anhand eines professionell datenbasierten Scoutings transferierte man bis dato unbekannte Spieler zu sich, sodass der Kader einer wahren Multikultitruppe gleicht, das Konzept aber aufzugehen scheint.

Der erste Tabellenplatz ist den Brüsselern nicht mehr zu nehmen, allein die jetzt folgenden Meisterschafts-Playoffs entscheiden, ob nach 1935 erneut ein Meistertitel ins Stade Joseph Marien wandert.

Wäre dies nicht schon interessant genug, so hatte ich neben dem Besuch des denkmalgeschützten Stadions großen Bock, „unseren“ Deniz in einem der letzten Spiele für Saint Gilloise zu sehen, ehe er nach dem Playoffs zum Premier-League-Club Brighton and Hove Albion wechselt. Eigentümer auch hier – wen wundert es – Tony Bloom.

Es wäre nicht übertrieben, wenn man behaupten würde, dass Deniz Undav in Meppen zum „fertigen“ Spieler reifte, ehe er im Sommer 2020 zum damaligen belgischen Zweitligisten wechselte und diesen mit 17 Treffern zum Aufstieg ballerte.

In dieser Saison konnte er diese Quote mit aktuell 25 Treffern dann nochmals toppen.

Beeindruckend und ich persönlich bin gespannt, ob er seine Entwicklung auch in der Premier-League, sicherlich einem ganz anderen Terrain als die belgische erste Liga, erfolgreich fortsetzen wird.

Nun aber erstmal zurück ins Hier und Jetzt.

Gut eine Stunde vor Anpfiff um 18:30 Uhr gönnen wir uns in entspannter Atmosphäre ein paar Bierchen an einer Eckkneipe im Wurfweite zum wunderschönen Stade Joseph Marien, welches idyllisch zwischen Häuserreihen und in einer Art Park liegt, sodass es allzu sparsamen Zuschauern auch möglich ist, von einer umwaldeten Anhöhe aus das Spiel kostenlos zu verfolgen; zumindest so lange bis die Bäume noch nicht im satten Grün stehen.

Statt in einem Gebüsch nehmen wir lieber auf der einzig überdachten Tribüne mit der geilen Backsteinfassade auf urigen Sitzbänken in Vereinsfarben Platz, selbst meine bessere Hälfte ist von dem Ambiente begeistert und bringt es mit „Hat irgendwas von einer Waldbühne“ ganz treffend auf den Punkt. Der aktive Kern der Heimfans sammelt sich gegenüber auf der langgezogenen Stehplatztribüne und verbreitet angetrieben von einem Vorsänger eine ganz ordentliche Stimmung bei feinem Frühlingswetter. 

Das Spiel verlief recht einseitig, konkret wurde konstant das Tor der Gäste attackiert, ohne, dass ein Treffer gelingen wollte. Die bereits abgestiegenen Gäste aus dem nahgelegenen Antwerpen verteidigten tapfer, ohne sich nennenswerte Torchancen zu erspielen.

Belgleitet wurden sie derweil von knapp 250 Anhängern und sind die Vereinsfarben nicht schon unerträglich genug, so stand man sinnlos verteilt im Block herum und verzichtete auf irgendeine Art des Supports.

In der 82. Minute dann das Komische und völlig Unerwartete. Ein Großteil des Gästemobs strömt an die Begrenzung zum Spielfeld, welches lediglich durch eine kleine Bande von den Zuschauerrängen getrennt ist. Es fliegen ein paar „Leuchtkörper“ in den Heimblock, ein Lad überklettert die Bande, ein herbeieilender Ordner-Opa wird zu Boden geschubst, ehe es zu einem kurzen Schlagabtausch mit dem Heimfans kommt. Die Schiedsrichter unterbricht das Spiel und schickt die Mannschaften in die Kabine, der Gästeanhang kann seine Provokationen nahezu ungehindert fortsetzen, denn die Cops sind dermaßen unorganisiert und planlos, wie ich es selten erlebt habe, der eine verliert einfach mal seinen Knüppel und muss man seinem Kollegen darauf hingewiesen werden,  sodass wirklich niemand zu wissen scheint, was mit derartigem Verhalten der Away-Mobs anzufangen ist. So entchließt sich der Schiri nach etwa 15 Minuten Unterbrechung das Spiel beim Sand von 0:0 abzubrechen. Nach dem Böllerwurf von Essen bereits mein zweites Abbruchspiel in diesem Jahr. Starke Quote. 

In Deutschland hätte die Polizei den Gästehaufen vermutlich zu Brei geknüppelt und schade obendrein, dass Saint Gilloise kein nennenswertes Gewaltpotential in seinen Reihen zu haben scheint, sonst hätte dieser lila Bauern-Suffmob hier vermutlich eine ordentliche Reise bekommen.

Worin jetzt der tiefere Sinn dieser „Randale“ lag, ist mir bis heute nicht klar. Entweder wollte man sich mit einem zünftigen Knall aus der Eliteliga verabschieden oder es hat einfach nur der Suff das Handel dominiert. Seltsam nur, dass sich selbst Familienväter hier beteiligten und niemand auch nur daran dachte, sich halbwegs zu vermummen oder ähnliches, sodass eine nachträgliche Identifizierung recht leicht sein sollte.

Naja, ist nicht unser Problem. Der Ground, der offensichtlich nicht tauglich ist für die kommenden internationalen Spiele ist, weswegen man auch nach irgendwohin (im Gespräch sind Leuven oder Anderlecht…) ausweichen muss, kann als gemacht betrachtet werden und ansonsten wünsche ich dem unsympathischen Club aus Antwerpen und seinen Anhängern alles Schlechte, die Insolvenz, den Abstieg in die unterste Liga und schales Bier for life.

Prost.