Der SV Meppen ist ein schlafender Riese und in Momenten, in
denen es für den Verein um alles geht, steht eine ganze Region hinter ihm.
So scheint es zumindest in vielen Fällen zu sein und so deutete es sich
auch bereits die gesamte Woche vor o. g. Kick ab.
Die Zutaten zu einem großen Saisonfinale waren allesamt vorhanden: Der
SVM liegt nach dem 3:2 Heimsieg gegen Nordhorn in der Vorwoche zwei Punkte vor
dem VfB Oldenburg, der den 8. Tabellenplatz, und somit einen Abstiegsplatz in
die zukünftige 5. Liga, belegt.
Die Rechnung ist also einfach. Ein Sieg gegen den feststehenden Meister würde
in jedem Fall reichen, ein Unentschieden nur bei einem gleichzeitigen Remis
für Oldenburg und eine Niederlage wäre ok, wenn Oldenburg nicht gegen
das Tabellenschlusslicht aus Henstedt-Rhen gewinnt.
Die Euphorie war riesig und wohl kaum niemand, dem der Verein
wirklich was bedeutet, konnte die Tage vor dem Endspiel einen normalen Tagesablauf
garantieren. Die Spannung wuchs von Tag zu Tag und beinahe tägliche Mails
in meinem Postfach, die aus einem simplen "Na, schon aufgeregt?" oder
"Freitag wird geil!" ließen vermuten, dass nicht nur von mir
der Freitag mit Spannung erwartet wurde.
Ganz nebenbei rief das Umfeld die Aktion 1000+ (Auswärtsfans) aus und in
allen Ecken wurde mobil gemacht, sodass mit einer blauweißen Invasion
zu rechnen war.
Dann war der alles bedeutende Freitag endlich erreicht:
Ich selbst war neben ca. 40 weiteren dubiosen Gestalten Gast im vom Herrn S.
im Alleingang organisierten Bus (Danke nochmals hierfür), der als erster
von allen die wohl schönste Stadt aus dem Land an der Ems verließ.
Die befürchteten Staus auf der Höhe von Bremen und Hamburg bleiben
größtenteils aus und somit erreichte man recht früh die schleswig-holsteinische
Landeshauptstadt. Der Gästeparkplatz folglich noch recht leer und man konnte
sogar mehr oder minder im Stadionareal herzumlaufen, ohne dass sich jemand dafür
interessierte. Bis auf einige Kieler Schalträger war jedoch auch vom "Feind"
nichts zu sehen, was sicherlich einigen Gästen nicht gefiel, denn es war
ja noch eine Rechnung zu begleichen. Im Hinspiel waren die Kieler Ultras nämlich
zu blöd, um gescheit auf ihre Fahne aufzupassen und so fand diese, neben
einer unbedeutenderen weiteren Zaunfahne, in Meppen ihr neues zuhause.
Die Kieler Subside nun natürlich arg in ihrer Ehre (welche Ehre?) gekränkt und daher anscheinend beschlossen, einige Tage später in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Bauwagen der Meppener Szene aufzubrechen und wiederum einige -zum Teil sehr wichtige - Fahnen mitgehen zu lassen. Zusätzlich ließ man noch den gesprayten sinnfreien Appell "Vendetta 30.05.2008" zurück und spätestens jetzt war zumindest mir klar, mit was für einem Kindergarten man es hier zu tun hatte. Erschreckend dabei die Tatsache, dass Teile Ultradeutschlands den nächtlichen Bauwagenaufbruch mit Respekt würdigten. Zeigt doch, wie sehr die deutsche Ultrakultur gefährdet ist, komplett all ihre Werte zu verlieren. Muss ich jetzt zu jemandem, der nachts in meine Wohnung einbricht und meinen Fernseher klaut "Boah, Respekt. Gute Aktion!" sagen???
Wie auch immer, für Zündstoff war also reichlich
gesorgt, motivierte Leute wurden zahlreich gefunden und man war gespannt, wie
denn die Vendetta jetzt ausschauen würde. Geboten wurde dann etwa eine
Stunde vor dem Spiel anscheinend nur die "Light-Version", die aus
einem kleinen Angriffsversuch auf einen Meppener Bus und einem weiteren mit
Bengalos usw. erfolgte.
Angesichts der mit locker zwei Hundertschaften vertreten Staatsmacht und hermetischer
Abriegelung des Gästeparkplatzes eine recht sinnloses Aktion, wenn auch
besser als gar nichts.
Zeit also, sich in den ordentlich gefüllten Gästeblock zu begeben.
Ob die angestrebten 1000 Gäste nun wirklich erreicht wurden, vermag ich
bis heute nicht zu sagen. Im Gästebereich selber aber meiner Meinung nach
nicht mehr als maximal 600 Meppener, auf den Tribünen aber sicherlich auch
noch einiges.
Ansonsten gabs von Kiel eine recht nette "Kiel gewinnt" - Choreo (angelehnt
an das bekannte Vier gewinnt Spiel, die roten und gelben Chips ergeben das Wort
Kiel), von Meppener Seite nix. Im Folgenden recht guter Support auf Gästeseite,
Kiel war ebenfalls zu sehen, aber kaum zu hören.
Oldenburg führte schon nach neun Minuten mit 2:0, also musste da mal von
einem Sieg ausgegangen werden (am Ende gar 6:0).
Wir brauchten also einen Sieg, um sicher in der Relegation zu sein und nach
einer halben Stunde schien das Wunder zum Greifen nah. Eray Bayraktar schiebt
das Leder in die gegnerischen Maschen. Tor!!! 0:1 und kollektives Ausrasten!!!!
Der Halbzeitpfiff ertönt.
Halbzeit zwei geht ebenfalls munter los, doch das Glück sollte uns nicht
lange "Holt" sein. Ausgerechnet der zu Saisonbeginn zu den Kielern
gewechselte Meppener Jung Michael Holt knallt einen Freistoß ins Meppener
Tor. Der Todesstoß!!!
Was bringt es, dass die Mauer sich äußerst ungünstig verhalten
hat? Was bringt es, dass der Torschütze behauptet, das Tor nicht gemacht
haben zu wollen?
Nichts, denn eine nochmalige Führung, die evtl. den so dringend benötigten
Sieg bedeutet hätte, blieb bis zum Schlusspfiff aus und Taubheit machte
sich breit. Ein Verhaltensforscher hätte begeistert in die Hände geklatscht,
denn jeder reagierte unterschiedlich auf den somit feststehenden Absturz in
die 5. Liga. Der eine liegt nur da und macht gar nichts, viele weinen, andere
wollen am liebsten den Zaun niederreißen und die ganze Welt verprügeln
und andere starren geschockt ins Leere. Krasse Momente.
Der Rauch der brennenden Kieler Fahnen (nachdem Kiel die geklauten Meppener
Fahnen präsentierte, wurden im Gegenzug die Kieler Exemplare den Flammen
geopfert) war längst verzogen, das Stadion fast leer, nur der Meppener
Anhang konnte sich schwer dazu überwinden, wohlmöglich für lange,
lange Zeit keinen Fuß mehr in ein vernünftiges Stadion zu setzen,
um ein Spiel der Blauweißen zu sehen.
Nach und nach leerte sich dann irgendwann aber auch der Gästebereich, was
den Cops anscheinend nicht schnell genug ging und nun völlig unnötig
mit Pfeffer und Hunden vorgegangen wurde. Einige üble Bisswunden und gerötete
Augen waren die Folge, jedoch waren auch auf Seiten der "Ordnungshüter"
leichte Verluste zu melden.
So langsam kehrte dann Ruhe ein und irgendwann fuhren die Busse
aus der Stadt. Von Kiel war nichts mehr zu sehen, vermutlich mussten sie alle
pünktlich vor Mitternacht zu Hause sein.
Die fünfstündige Rückfahrt verlief logischerweise recht gedämpft,
jeder musste die Enttäuschung verarbeiten, in der kommenden Saison nicht
gegen Halle, Magdeburg oder vielleicht auch Essen zu spielen, sondern gegen
Kracher, wie Langenhagen, Pewsum oder Leer antreten zu dürfen.
Die Welt ist ungerecht und schlecht; aber heute ist nicht alle
Tage, wir kommen wieder, keine Frage!