Royal Standard de Liege - Sporting du Pays de Charleroi 1:1
21.08.2009
Jupiler League
Stade Maurice Dufrasne
Zuschauer : 30.000 ( ca. 2.500 Gäste)


Liege bzw. Lüttich gegen Charleroi. Das ist zumindest für mich neben vielleicht noch ein, zwei anderen Paarungen das attraktivste, was Belgien fantechnisch zu bieten hat. Zumindest scharen beide Clubs ganz gute Ultragruppen um sich. Höchste Zeit also, sich das Ganze mal live und in Farbe aus nächster Nähe anzuschauen.
Ein paar winzige Sorgenfalten machte mir vorab allerdings die Ticketfrage, so hatten die Verantwortlichen meine Anfrage unter der Woche mir doch ein Ticket zu hinterlegen, gewohnt freundlich mit "No!!!! We are sold out" beantwortet. So legte ich zunächst halt mal die gut 300 km in der Hoffnung auf einen funktionierenden Schwarzmarkt zurück. In Wallonien - wo Männer sich zur Begrüßung küssen - angekommen, herrschte gute 90 Minuten vor Anstoß schon ein völlig wirres Verkehrschaos und es hätte bereits hier recht lustig werden können. Ein paar Wagen vor mir steht ein Bus voll mit Ultras aus Charleroi ("Storm Ultras"), die aus den Dachluken gucken und nicht mit provozierenden Gesten in Richtung des neben mir stehenden Busses mit Heimfans geizen. In diesem sitzen allerdings nur harmlose Väter, Mütter und Kinder; somit keine große Gefahr.
Nachdem einige Minuten später das Fahrzeug in irgendeine Parklücke gequetscht worden war, bewältigte ich die letzten paar Gehminuten zum Stadion per pedes. Liege ist übrigens von dem Titel "Luftkurort" so weit entfernt, wie der SV Meppen von der Deutschen Meisterschaft. Bekannt geworden als Zentrum der belgischen Kohle- und Stahlindustrie finden sich in der Gegend rund ums Stadion zahlreiche Industriegebäude, aus deren Schloten grauer und schwarzer Dunst pustet und die Luft dementsprechend "frisch" macht.
Trägt aber alles irgendwie zum Fußball-Feeling bei. OK, rund ums Stadion fand ich ein ziemliches Gewusel vor; also mal geschwind n Tickethäuschen angesteuert, wo es erneut etwas dauerte, bis jemand der englischen Sprache mächtig war. Und siehe da, es gibt sogar noch Karten im freien Verkauf und zumindest für mich als "Tourist" ohne Vorlage des Persos oder Kauf einer Clubkarte oder sonstigem Unfug. Sind ja in Belgien alles gängige Praktiken. Aber egal, ich hatte für 28 Euro wesentlich komplikationsloser als gedacht mein Ticket in der Hand und somit ab ins Stadion, welches durchaus meinen Geschmack trifft. Zu dreiviertel besteht der Ground aus drei überdachten Rängen; die freistehende Gegengerade zählt derer zwei. Dazu teilweise fast beängstigend steil. Sehr, sehr nett also, die Heimstätte des aktuellen belgischen Meisters. Dieser versammelt logischerweise eine Menge Fans um sich, deren aktiver Teil in den Gruppen "Ultras Inferno" und "Hell Side" organisiert ist, die im mittleren Rang der Hintertortribüne zu finden sind. Hinzu kommt noch ne Gruppe, die sich den ungewöhnlichen Namen "Public Hysteric Kaos", kurz "PHC" zugelegt hat, und zu Spielbeginn den Gegner mit Hilfe eins überdimensionalen Cartoons veralberte.
Auf der gegenüberliegenden Seite zeigte man eine nette Choreo mit Gruppenlogo des "Ultras Inferno", zwar recht simpel in der Umsetzung, aber dennoch ein gelungenes Bild. Beeindruckend war an diesem Abend jedoch ohne Zweifel das, was sich im Gästebereich abspielte. Der helle Wahnsinn und in dieser Form wohl nicht allzu oft in Belgien zu sehen. Man hätte meinen können im Gästesektor tummeln sich ausschließlich Ultras und kaum "normale" Zuschauer, so wie die abgingen. Hantierte man bereits vor Anpfiff mit Böllern, Blinkbengalos und anderer Pyrotechnik herum, so präsentierte man zu Spielbeginn zusätzlich eine Überziehfahne mit der Aufschrift "Charleroi" und dem "Logo" von Clockwork Orange. Was folgte war 90-minütiges Abdrehen, garniert mit feinen Trommelrhythmen, lauten Gesängen und vielen Klatscheinlagen, sodass ich einige Male dachte, ich sei in Italien (als es da noch geil war) oder irgendwo in Frankreich. Das Heimpublikum war zwar bemüht, lautstärketechnisch gegenzuhalten, was nur gelang, wenn der größte Teil des Publikums mit einstimmte, was aber leider nur vier, fünf Mal passierte. Sonst zogen die vielleicht 50 People des "Ultras Inferno" ihr Programm überwiegend alleine durch, was auf so einer großen Tribüne dann doch etwas verloren wirkt. Um nicht falsch verstanden zu werden; es war kein schlechter Auftritt, bestätigte nur nochmal die Klasse des Gästeanhanges an diesem Abend. So wanderte mein Blick immer im stetigen Wechsel von Heim- über Auswärtssektor runter zum Rasen, denn auch dort wurde sehr flotter Fußball mit insgesamt zwei sehenswerten Toren geboten. Standard erspielte sich zwar mehrere 100%ige Chancen , machte diese aber nicht zu Treffern. Teilweise schoss man sogar freistehend neben das leere Tor, sodass man sich letztendlich über zwei verschenkte Punkte im Kampf um die Titelverteidigung ärgern muss.
Hoch zufrieden mit diesem Spielbesuch sprintete ich nach Abpfiff vor den meisten anderen Besuchern zum Auto, um dem wohl unvermeidlichen Abfahrtschaos zu entgehen. Dies gelang dann auch perfekt und nach ereignisloser Heimfahrt kam ich drei Stunden später wieder im schönen Meppen an.

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