AC Omonia Nicosia – Manchester United FC   2:3

06.10.2022

GSP-Stadium

Europa League 3. Spieltag

Zuschauer: 20.000 (ca. 1.100 Gäste)

 

 

Junge, Junge, Junge, was für ein Elend.

Da ist mir doch nach dem im Folgenden beschrieben Urlaub tatsächlich durch eine äußerst ärgerliche Verkettung unglücklicher Umstände mein Laptop abhandengekommen und bleibt bis zum heutigen Tag unauffindbar. Dumm, wie ich bin, hatte ich die Daten meiner Homepage zuletzt vor knapp 3 Jahren (!!) extern gesichert und auch sonst keine Alternative a la Cloudlösung etc. parat.

 
Lange Rede, kurzer Sinn: Ein dicker Batzen an Daten war einfach weg und so musste ich sämtliche Berichte von 2021, 2022 sowie etwa ein Drittel von 2020 komplett neu aufbauen.

Dass das nicht nur eine äußerst langweilige wie auch stupide Aufgabe ist, sondern auch überhaupt keinen Spaß macht, kann man sich sicherlich denken.

Der Page ihren oft angekündigten, aber nie durchgeführten Todesstoß zu versetzen, war jedoch auch irgendwie keine zufriedenstellende Option und so wurden einige (mehrere) Stunden investiert, sodass es jetzt hier weiter gehen kann, ein paar optische Anpassungen noch erfolgen und der kleine Berichtestau in den nächsten Tagen nach und nach abgearbeitet wird. So, genug der Vorrede, weiter geht’s…

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 Bevor es in einen langen, dunklen und vielleicht auch kalten deutschen Herbst und Winter geht, sollte es für meine Frau und mich nochmal in warme Gefilde gehen.

Zypern, die Insel der Aphrodite (und sehr vieler streunender Katzen), war die Wunschdestination, war es doch bislang für beide von uns ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Ryanair hatte die Ehre, uns von Köln/Bonn nach Paphos und eine Woche später wieder zurück zu fliegen. Gut ist, wenn ein Schwager mittlerweile mit Gattin in Bonn-Bad Godesberg lebt und man bereits den Tag vor Abflug dort sein Asyl fand, sodass man nicht in aller Herrgottsfrühe des Weg von Meppen zum Konrad-Adenauer-Airport antreten musste.

Naja, ein um kurz nach 6 klingelnder Wecker bedeutet nun nicht unbedingt ausschlafen, aber die Meldungen bezüglich der Zustände am Airport in Ferienzeiten reichten von „ziemliches Chaos“ von „ganz entspannt“ und tatsächlich war es eher ganz entspannt. Gepäckabgabe eine Minute, Sicherheitsschleuse mit ca. 30 Minuten nicht gerade fix, aber natürlich weit weg von Chaos.

Abflug und nach 3:20 Stunden auf der drittgrößten Mittelmeerinsel am kleinen Airport in Paphos gelandet. Fix den Mietwagen der Marke Toyota Corolla in Empfang genommen, welches allerdings eine ziemliche Scheißkarre war, wenn ihr mich fragt.

Schwammige Lenkung, hakelige Kupplung, ging zudem manchmal erst beim dritten oder vierten Versuch an. Naja, für eine Woche soll es reichen, will das Ding ja schließlich nicht kaufen.

Unsere Homebase für die Folgewoche war nicht Paphos, sondern das etwa 1:30 Stunden weiter östlich gelegene Larnaka, welches sich für die kommenden (fußballerischen) Unternehmungen als strategisch geeigneter erweisen sollte.            

Die folgende Tage waren - den Fußball mal außer Acht gelassen - allerdings spärlich mit Programmpunkten gefüllt, denn bei knapp 30 Grad unter azurblauem Himmel war das Abgammeln am Strand ein wesentlicher Aspekt des „Kulturprogrammes“.

Aber klar, ein wenig Fußball sollte es natürlich doch geben, so ist die Fankultur Zyperns eine durchaus interessante, wenngleich doch mit Höhen und Tiefen.

Im Jahre 2015 wurde wie leider in mittlerweile immer mehr Ländern gang und gäbe eine Fancard eingeführt, die es jedem Interessierten nur unter Abgabe persönlicher Daten möglich macht, ein Erstligaspiel zu besuchen. Nahezu alle aktiven Szenen waren nicht bereit, diese Hokuspokus mitzumachen und so war die Fanlandschaft über Jahre quasi tot, die Pandemie trug ihr Übriges dazu bei. 

Irgendwann hat man sich aber irgendwo wohl mit diesem Mist arrangiert und ist wieder auf den Rängen aktiv, an mir war das allerdings bis dato völlig vorbei gegangen. Auch als Ausländer benötigt man diese Fancard, welche allerdings recht easy unter https://theasis.cy.net/koa/el/home/ kostenlos zu beantragen ist und binnen ca. 12 Stunden im E-Mail-Postfach liegt.

Wer es lieber analog mag, kann sie sich auch gegen eine Gebühr in Höhe von 3,-€ bei den jeweiligen Vereinen erwerben, was dann aber irgendwie auch nicht immer direkt am Spieltag möglich ist. Etwas seltsam, also empfehle ich die bequeme Vorab-Onlinevariante.

Mit diesem Ding also ausgestattet konnten wenige Tage vor Austragung dieser Parte flink zwei E-Tickets gekauft werden, sodass an diesem Donnerstag die etwa 1,5-stündige Fahrt von Larnaka in die Hauptstadt Nicosia angetreten wurde.

Der Miethobel wurde aus strategischen Gründen direkt am Stadion geparkt, von hier ging es via Taxi (knappe 12 Euro) in Zentrum der weltweit einzig geteilten Hauptstadt.

Kurzer historischer Abriss, weil die Geschichte ja wirklich ganz interessant ist…

Im Juli 1974 kam es zu einem Putsch auf Zypern gegen den amtierenden Präsidenten Makários, der sich nach dem Umsturz in Griechenland 1967 für ein selbstständiges und geeintes Zypern ausgesprochen hatte. Als Nachfolger von Makários wurde Nikos Samson eingesetzt, der den Anschluss der Insel an Griechenland forderte. Nur wenige Tage später landeten türkische Truppen im Norden Zyperns und brachten den ganzen Nordosten (knapp 40 % der Insel) unter ihre Kontrolle. Damit war Zypern praktisch zweigeteilt, wobei die Grenzlinie mitten durch die Hauptstadt Nikosia verlief. Während auf internationaler Ebene der Einmarsch der Türkei in Zypern verurteilt wurde, wanderten aus dem türkisch-besetzten Teil die Griechen in den Süden des Landes bzw. wurden vertrieben. Umgekehrt verhielt es sich mit den restlichen türkischstämmigen Bewohnern im Süden, die in den Norden des Landes abwanderten.

Im Februar 1975 erklärte sich der türkische Norden Zypern einseitig zum "Türkischen Föderationsstaat von Zypern" (ab 1983 "Türkische Republik von Nordzypern"). Nur die Türkei erkannte die Republik als rechtmäßigen Staat an, was bis heute nicht anders ist. Jegliche Bemühungen, diesen Konflikt zu lösen verliefen bislang im Sande.

Trotz allem ist die Situation derzeit aus Touri-Augen betrachtet recht entspannt. Am Ende der Leda-Street, was sowas wie die Hauptflaniermeile Nicosias ist, befindet sich der Grenzübergang, den man nach zweimaligen Vorzeige seines Persos überqueren kann und tatsächlich ändert sich die Szenerie nach Übertritt merklich.

Abgesehen davon, dass man sich hier nicht mehr in Nicosia, sondern in Lefkosia befindet, wird in Türkischer Lira bezahlt (wobei der Euro auch geht, „Money is Money“, so die treffende Aussage einer Bedienung), Freunde gefälschter Markenklamotten kommen hier auf ihre Kosten und es herrscht insgesamt ein geschäftiges Treiben.

Nun gut, irgendwann ging dann aber wieder zurück in den zyprischen Teil und nach einer kleinen Stärkung sollte so langsam der Weg gen Stadion angetreten werden.

Leider hatten wir hierbei aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn ein Taxi war aufgrund der Tatsache, dass zeitgleich rund 1.000 Tommys gleichzeitig zum etwa 8 Kilometer entfernten Ground wollten, kaum zu kriegen.

Ohnehin ist das System der Öffentlichen Verkehrsmittel hier sehr ausbaufähig. Außer Taxen, privaten Pkw und Bussen ist hier nicht viel möglich, eine direkte Busverbindung zum Stadion scheint es vom Zentrum aus nicht zu geben und man generell steht man augenscheinlich kurz vorm kompletten Verkehrsinfarkt.

 

Also hieß es (wir befinden uns mittlerweile rund eine Stunde vor Anstoß) an der Straße zu stehen und eines der spärlich vorbeifahrenden Taxis abzugreifen, ehe ein 5er-Mob ManUnited-Lads meinen Plan mehrmals durchkreuzte. Meine Nerven lagen jetzt schon wieder deutlich blank und ich entwickelte mich zusehends von einem entspannten Urlauber zu einer menschlichen Vollkatastrophe; meine Frau versuchte mehrmals, aber vergeblich mit einem „Bleib ruhig!“ die Wogen zu glätten, machte damit aber alles noch schlimmer. „Wie zum Teufel soll ich bei so einer Scheiße ruhig bleiben????“ brüllte ich durch den milden Mittelmeerabend.

Aber dann…. Einige hundert Meter entfernt taucht ein Taxi am Ende der Straße auf. Ich sprinte diesem entgegen, reiße die Tür mit einem deutlichen „GSP-Stadium“ auf, während der freundliche Fahrer mir signalisiert, einzusteigen. Schnell die Frau herbeigewinkt, ein ManUnited-Top-Lad springt ebenfalls noch ins Auto und ab geht’s durch den dichten Hauptstadtverkehr.

Der Fahrer ist ein cooler jüngerer Typ, stimmt obgleich seiner edlen Fussballasi-Fracht sogleich ein „Please don‘t take me home“ an. Jaja, jetzt gib aber mal Gas, Chef.

Aber er kennt sich aus, weiß über die Bundesliga Bescheid, ist selber Anhänger von APOEL Nicosia und kennt ein oder zwei „Schleichwege“ zum Ziel, was am Ende mit einigen Euro Trinkgeld honoriert wird.

Schnell vom mitgefahrenen Tommy verabschiedet, welchen ebenfalls ganz korrekt war, und zu Fuß die letzten paar hundert Meter Meter zum Ground, einmal rundherum, puhhh, war ja klar.

Einlasskontrollen dafür aber zum Glück super lasch, einmal durchs Drehkreuz und drin sind wir, 5 Minuten vor Anpfiff. Junge, Junge…..Was für‘n Stress. Irgendwann bringt mich sowas in den Knast oder ins Grab.

Aber Moment mal. Bei Omonia Nicosia sollten zumindest bei denjenigen die Ohren klingeln, die dem SVM schon in 1990ern die Daumen gedrückt haben.

Rainer Rauffmann, unter Vertrag bei den Besten im Nordwesten in der 2. Bundesliga von 1992 bis 1995 schoss in seiner unnachahmlichen Art 37 Tore in 105 Spielen, bevor er im Jahre  1995 den SV Meppen verließ und über Frankfurt, Bielefeld und Linz schließlich 1997 bei Omonia landete. Und hier nahm die Karriere dann erst richtig Fahrt auf. Offenbar gestählt durch eine Wundertherapie mit Bier und Korn, denen der gute Rainer zu emsländischen Zeiten durchaus nicht abgeneigt war, avancierte er hier zu einem wahren Volkshelden.

 

In seiner siebenjährigen Vertragsdauer bei den Kleeblättern schoss er in 152 Spielen unglaubliche 181 Tore und wurde logischerweise in den Jahren 1998,1999, 2000 Torschützenkönig. 2002 erhielt er dann die zyprische Staatsbürgerschaft, um auch für die Nationalelf spielen zu können. Auch privat fand er sein Glück auf der Sonneninsel, heiratete eine Zypriotin und gründete eine Familie. Der gute Rainer lebt bis heute dort und ist offenbar immer noch in irgendeiner Funktion bei Omonia tätig. Eine Vorab-Kontaktaufnahme durch mich verlief leider ausschließlich einseitig, sonst könnte ich hier womöglich noch mit einem Exklusivinterview glänzen.

So viel zur Vergangenheit, zurück ins Stadion; wenige Sekunden vor Anpfiff.

Ich hatte kaum etwas erwartet, was ja generell die beste Herangehensweise an Spiele ist und wurde ziemlich begeistert. Alleine durch das nahezu ausverkaufte Stadion war die Kulisse stark, zudem läutete der Heimanhang das Spiel mit einer feinen Papptafelchoreo ein, bei der die Konturen der Insel abgebildet wurden, zudem das etwas kleine „Queen of Cyprus“ Banner, das sicherlich auch eine Anspielung an die Gäste und auf deren kürzlich verstorbenes Staatsoberhaupt zu sehen war. Während die rund 1.100 ManUnited-Anhänger in der Ecke hinterm Tor kaum zu hören waren, weil sie schlichtweg kaum etwas von sich hören ließen, verwandelte der Anhang der Grünweißen die Arena in eine stimmungsvolle Location.

Zwar betrug der aktive Kern „lediglich“ rund 300-500 Leute, die es jedoch schafften, die umherstehenden Zuschauer und die übrigen Tribünen ein ums andere Mal mitzunehmen. Das Spiel trug sein Übriges dazu bei, denn obwohl die „Reds“ (CR7 spielte die die kompletten 90 Minuten und hat auch noch im Alter von mittlerweile 37 Jahren eine klasse Technik und Geschwindigkeit) weitaus mehr Spielanteile hatten, setzte Omonia in der 34. Minute zu einem lehrbuchmäßigen Konter an, der im 1:0 mündete, was einen wahren Jubelorkan über die Arena fliegen ließ und es somit 1:0 in die Pause ging.

Aber klar, am Ende siegt dann leider viel zu oft das Team mit dem höheren Marktwert (18 Millionen gegen 752 Millionen) und so sorgte ManUnited in der zweiten Hälfte durch Tore von Rashford, Martial und nochmal Rashford für klare Verhältnisse. Der 2:3-Anschluss wenige Minuten vor Abpfiff war dann nur noch Ergebniskosmetik und für Omonia dürfte damit nach der Gruppenphase Schluss auf der internationalen Ebene sein (was dann ja auch so kam).

So oder so war es ein Top-Fußballabend, wir schafften es so gerade noch flink am Auto zu sein, das Abfahrchaos ist hier nach gut besuchten Spielen ein ziemlich amtliches und waren nach ca. 50 Minuten Fahrt wieder in unserer Homebase in Larnaka.

Länderpunkt Zypern, Haken dran.